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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

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züge seien am Ende keine und daher De¬
muth unsere Pflicht."

Der Graf entgegnete: "so seh' ich wenig¬
stens nicht, warum ich Bettler demüthig gegen
den zweiten Bettler sein soll; -- und ist er gar
stolz, so hab' ich ja einen zweiten Vorzug vor
ihm, die Demuth."

Es wurde ein schöner Saz aus Glanzens
gedruckten Reden angeführt: daß die Kinder für
Geringschäzung des Alters die vergeltende Stra¬
fe gewiß von ihren eigenen Kindern empfangen
würden.

Klothar entgegnete: "folglich hat das ge¬
ring geschäzte Alter auch einmal gering geschäzt;
und es geht ins Unendliche, oder man kann die
Strafe erhalten ohne die Sünde."

Glanz äusserte, wie leicht das Gedächtnis
zu überladen sei.

Klothar entgegnete: "das ist blos unmög¬
lich. Ist denn etwas zu behalten, eine Beschwer¬
de für Gehirn oder Geist! Verspürt ein Mann
den Schaz, den zwanzig Jahre Leben in ihm
niederlegten, wohl an seinem Gedächtnis als

zuͤge ſeien am Ende keine und daher De¬
muth unſere Pflicht.“

Der Graf entgegnete: „ſo ſeh' ich wenig¬
ſtens nicht, warum ich Bettler demuͤthig gegen
den zweiten Bettler ſein ſoll; — und iſt er gar
ſtolz, ſo hab' ich ja einen zweiten Vorzug vor
ihm, die Demuth.“

Es wurde ein ſchoͤner Saz aus Glanzens
gedruckten Reden angefuͤhrt: daß die Kinder fuͤr
Geringſchaͤzung des Alters die vergeltende Stra¬
fe gewiß von ihren eigenen Kindern empfangen
wuͤrden.

Klothar entgegnete: „folglich hat das ge¬
ring geſchaͤzte Alter auch einmal gering geſchaͤzt;
und es geht ins Unendliche, oder man kann die
Strafe erhalten ohne die Suͤnde.“

Glanz aͤuſſerte, wie leicht das Gedaͤchtnis
zu uͤberladen ſei.

Klothar entgegnete: „das iſt blos unmoͤg¬
lich. Iſt denn etwas zu behalten, eine Beſchwer¬
de fuͤr Gehirn oder Geiſt! Verſpuͤrt ein Mann
den Schaz, den zwanzig Jahre Leben in ihm
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[80/0088] zuͤge ſeien am Ende keine und daher De¬ muth unſere Pflicht.“ Der Graf entgegnete: „ſo ſeh' ich wenig¬ ſtens nicht, warum ich Bettler demuͤthig gegen den zweiten Bettler ſein ſoll; — und iſt er gar ſtolz, ſo hab' ich ja einen zweiten Vorzug vor ihm, die Demuth.“ Es wurde ein ſchoͤner Saz aus Glanzens gedruckten Reden angefuͤhrt: daß die Kinder fuͤr Geringſchaͤzung des Alters die vergeltende Stra¬ fe gewiß von ihren eigenen Kindern empfangen wuͤrden. Klothar entgegnete: „folglich hat das ge¬ ring geſchaͤzte Alter auch einmal gering geſchaͤzt; und es geht ins Unendliche, oder man kann die Strafe erhalten ohne die Suͤnde.“ Glanz aͤuſſerte, wie leicht das Gedaͤchtnis zu uͤberladen ſei. Klothar entgegnete: „das iſt blos unmoͤg¬ lich. Iſt denn etwas zu behalten, eine Beſchwer¬ de fuͤr Gehirn oder Geiſt! Verſpuͤrt ein Mann den Schaz, den zwanzig Jahre Leben in ihm niederlegten, wohl an ſeinem Gedaͤchtnis als

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/88>, abgerufen am 21.11.2024.