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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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Da erschien ein Augenblik, -- niemand
wuste wie oder wenn, -- wo der Jüngling auf
die Jungfrau blikte und sah, daß sie ihn wun¬
derbar, neu und sehr bewegt anschaue. Seine
Augen öfneten ihr sein ganzes Herz; Wina zit¬
terte, er zitterte. Sie schauete auf zum Rosen-
und Feuerregen, der die hohen grünen Tannen
mit Goldfunken und Morgenroth besprizte; und
wie verklärt schien sie vom Boden aufzuschweben,
und der rothbrennende Regenbogen leuchtete schön
auf ihre Gestalt herunter. Dann sah sie ihn wie¬
der an, schnell gieng ihr Auge unter, und schnell
auf, wie eine Sonne am Pol -- das herzerhe¬
bende Donnern und das Wetterleuchten des
Stroms umrauschte, überdeckte beide mit himm¬
lischen goldnen Flügeln gegen die Welt -- der
Jüngling strekte die Arme nicht mehr nach dem
Himmel allein aus, sondern nach dem Schön¬
sten, was die Erde hat -- --

Er vergaß beinahe alles, und war nahe
daran, in Gegenwart des Vaters die Hand des
Wesens zu ergreifen, das über sein ganzes Le¬
ben diesen Sonnenblik der Zauberei geworfen.

Da erſchien ein Augenblik, — niemand
wuſte wie oder wenn, — wo der Juͤngling auf
die Jungfrau blikte und ſah, daß ſie ihn wun¬
derbar, neu und ſehr bewegt anſchaue. Seine
Augen oͤfneten ihr ſein ganzes Herz; Wina zit¬
terte, er zitterte. Sie ſchauete auf zum Roſen-
und Feuerregen, der die hohen gruͤnen Tannen
mit Goldfunken und Morgenroth beſprizte; und
wie verklaͤrt ſchien ſie vom Boden aufzuſchweben,
und der rothbrennende Regenbogen leuchtete ſchoͤn
auf ihre Geſtalt herunter. Dann ſah ſie ihn wie¬
der an, ſchnell gieng ihr Auge unter, und ſchnell
auf, wie eine Sonne am Pol — das herzerhe¬
bende Donnern und das Wetterleuchten des
Stroms umrauſchte, uͤberdeckte beide mit himm¬
liſchen goldnen Fluͤgeln gegen die Welt — der
Juͤngling ſtrekte die Arme nicht mehr nach dem
Himmel allein aus, ſondern nach dem Schoͤn¬
ſten, was die Erde hat — —

Er vergaß beinahe alles, und war nahe
daran, in Gegenwart des Vaters die Hand des
Weſens zu ergreifen, das uͤber ſein ganzes Le¬
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[204/0212] Da erſchien ein Augenblik, — niemand wuſte wie oder wenn, — wo der Juͤngling auf die Jungfrau blikte und ſah, daß ſie ihn wun¬ derbar, neu und ſehr bewegt anſchaue. Seine Augen oͤfneten ihr ſein ganzes Herz; Wina zit¬ terte, er zitterte. Sie ſchauete auf zum Roſen- und Feuerregen, der die hohen gruͤnen Tannen mit Goldfunken und Morgenroth beſprizte; und wie verklaͤrt ſchien ſie vom Boden aufzuſchweben, und der rothbrennende Regenbogen leuchtete ſchoͤn auf ihre Geſtalt herunter. Dann ſah ſie ihn wie¬ der an, ſchnell gieng ihr Auge unter, und ſchnell auf, wie eine Sonne am Pol — das herzerhe¬ bende Donnern und das Wetterleuchten des Stroms umrauſchte, uͤberdeckte beide mit himm¬ liſchen goldnen Fluͤgeln gegen die Welt — der Juͤngling ſtrekte die Arme nicht mehr nach dem Himmel allein aus, ſondern nach dem Schoͤn¬ ſten, was die Erde hat — — Er vergaß beinahe alles, und war nahe daran, in Gegenwart des Vaters die Hand des Weſens zu ergreifen, das uͤber ſein ganzes Le¬ ben dieſen Sonnenblik der Zauberei geworfen.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/212>, abgerufen am 21.11.2024.