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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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aufzutreten brauchte! Läuferschuhe und Hosen¬
säcke der Ohnehosen geben dem Menschen, wenn
er sonst lange Stiefel und kurze Hosen trug,
fast Flügel. Sein Gesicht war voll Morgenluft
und ein Orient der Phantasie war in seinen Bli¬
cken gemahlt. Sein sämmtliches Münzkabinet
oder Studentengut hatt' er eingesteckt, als Sur¬
plus- und Operazionskasse, um an dieser Geld-
Kaze einen Schwimm-Gürtel für alle Höllen-
und Paradieses-Flüsse zugleich zu haben. Er
bewegte sich durch das widerstrebende Leben so frei
wie der Schmetterling über ihm, der nichts
braucht als eine Blume und einen zweiten Schmet¬
terling. Der Kunststraße, woran er einen gan¬
zen Klumpen Reformatoren und Weg-Frotteurs
stampfen und klopfen sah, gieng er aus dem
Wege, weil er sich nicht damit plagen wollte,
entweder Einen Morgengrus lang durch sie hin¬
zuziehen, oder den nämlichen lächerlich immer
von neuem zu sagen, und doch wohl falsch ab¬
zusetzen. Hügelauf, Thalein lief er in nassen
Gras-Blüthen und verlohr und erhielt abwech¬
selnd die Stadt, von welcher er indeß wünschte,

aufzutreten brauchte! Laͤuferſchuhe und Hoſen¬
ſaͤcke der Ohnehoſen geben dem Menſchen, wenn
er ſonſt lange Stiefel und kurze Hoſen trug,
faſt Fluͤgel. Sein Geſicht war voll Morgenluft
und ein Orient der Phantaſie war in ſeinen Bli¬
cken gemahlt. Sein ſaͤmmtliches Muͤnzkabinet
oder Studentengut hatt' er eingeſteckt, als Sur¬
plus- und Operazionskaſſe, um an dieſer Geld-
Kaze einen Schwimm-Guͤrtel fuͤr alle Hoͤllen-
und Paradieſes-Fluͤſſe zugleich zu haben. Er
bewegte ſich durch das widerſtrebende Leben ſo frei
wie der Schmetterling uͤber ihm, der nichts
braucht als eine Blume und einen zweiten Schmet¬
terling. Der Kunſtſtraße, woran er einen gan¬
zen Klumpen Reformatoren und Weg-Frotteurs
ſtampfen und klopfen ſah, gieng er aus dem
Wege, weil er ſich nicht damit plagen wollte,
entweder Einen Morgengrus lang durch ſie hin¬
zuziehen, oder den naͤmlichen laͤcherlich immer
von neuem zu ſagen, und doch wohl falſch ab¬
zuſetzen. Huͤgelauf, Thalein lief er in naſſen
Gras-Bluͤthen und verlohr und erhielt abwech¬
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[74/0082] aufzutreten brauchte! Laͤuferſchuhe und Hoſen¬ ſaͤcke der Ohnehoſen geben dem Menſchen, wenn er ſonſt lange Stiefel und kurze Hoſen trug, faſt Fluͤgel. Sein Geſicht war voll Morgenluft und ein Orient der Phantaſie war in ſeinen Bli¬ cken gemahlt. Sein ſaͤmmtliches Muͤnzkabinet oder Studentengut hatt' er eingeſteckt, als Sur¬ plus- und Operazionskaſſe, um an dieſer Geld- Kaze einen Schwimm-Guͤrtel fuͤr alle Hoͤllen- und Paradieſes-Fluͤſſe zugleich zu haben. Er bewegte ſich durch das widerſtrebende Leben ſo frei wie der Schmetterling uͤber ihm, der nichts braucht als eine Blume und einen zweiten Schmet¬ terling. Der Kunſtſtraße, woran er einen gan¬ zen Klumpen Reformatoren und Weg-Frotteurs ſtampfen und klopfen ſah, gieng er aus dem Wege, weil er ſich nicht damit plagen wollte, entweder Einen Morgengrus lang durch ſie hin¬ zuziehen, oder den naͤmlichen laͤcherlich immer von neuem zu ſagen, und doch wohl falſch ab¬ zuſetzen. Huͤgelauf, Thalein lief er in naſſen Gras-Bluͤthen und verlohr und erhielt abwech¬ ſelnd die Stadt, von welcher er indeß wuͤnſchte,

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/82>, abgerufen am 21.11.2024.