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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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niß des Menschen das Süsse weniger fahren lasse
als das Bittere.

Mit mir -- obwohl nicht vom Krankenla¬
ger -- standen meine Gläubiger auf. "Treffli¬
cher H. Musikhändler Rellstab! -- mein Bedien¬
ter versichert, Sie hiessen so -- (sagt' ich zu dem
bekannten Manne, meinem starken Gläubiger)
eben mach' ich mich vom hitzigsten Fieber von der
Welt auf und habe alles, 100000 Dinge, ja den
Namen vergessen, den ich gewöhnlich unterschrei¬
be. Erklären läßt sichs gut genug aus Physio¬
logie, aus Schweißen, Fieberbildern und Ermat¬
tungen; aber verdrüßlich ists für einen Mann
wie ich, der gern seine Nota von Musikalien ab¬
führt, und dem doch alles entfallen. In dieser
Noth bitt' ich Sie, so lange zu warten, bis ich
mich der Sache entsinne, guter Rellstab; dann,
wahrlich haben Sie Ihr Geld auf der Stelle im
Hause, was sich im anderen Sinne ohnehin ver¬
steht."

Darauf erschien der erste Theaterschneidermei¬
ster und Garderobier und ersuchte mich um das
Seinige. Ich antwortete: "lieber H. Freytag --

niß des Menſchen das Suͤſſe weniger fahren laſſe
als das Bittere.

Mit mir — obwohl nicht vom Krankenla¬
ger — ſtanden meine Glaͤubiger auf. „Treffli¬
cher H. Muſikhaͤndler Rellſtab! — mein Bedien¬
ter verſichert, Sie hieſſen ſo — (ſagt' ich zu dem
bekannten Manne, meinem ſtarken Glaͤubiger)
eben mach' ich mich vom hitzigſten Fieber von der
Welt auf und habe alles, 100000 Dinge, ja den
Namen vergeſſen, den ich gewoͤhnlich unterſchrei¬
be. Erklaͤren laͤßt ſichs gut genug aus Phyſio¬
logie, aus Schweißen, Fieberbildern und Ermat¬
tungen; aber verdruͤßlich iſts fuͤr einen Mann
wie ich, der gern ſeine Nota von Muſikalien ab¬
fuͤhrt, und dem doch alles entfallen. In dieſer
Noth bitt' ich Sie, ſo lange zu warten, bis ich
mich der Sache entſinne, guter Rellſtab; dann,
wahrlich haben Sie Ihr Geld auf der Stelle im
Hauſe, was ſich im anderen Sinne ohnehin ver¬
ſteht.”

Darauf erſchien der erſte Theaterſchneidermei¬
ſter und Garderobier und erſuchte mich um das
Seinige. Ich antwortete: „lieber H. Freytag —

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[95/0101] niß des Menſchen das Suͤſſe weniger fahren laſſe als das Bittere. Mit mir — obwohl nicht vom Krankenla¬ ger — ſtanden meine Glaͤubiger auf. „Treffli¬ cher H. Muſikhaͤndler Rellſtab! — mein Bedien¬ ter verſichert, Sie hieſſen ſo — (ſagt' ich zu dem bekannten Manne, meinem ſtarken Glaͤubiger) eben mach' ich mich vom hitzigſten Fieber von der Welt auf und habe alles, 100000 Dinge, ja den Namen vergeſſen, den ich gewoͤhnlich unterſchrei¬ be. Erklaͤren laͤßt ſichs gut genug aus Phyſio¬ logie, aus Schweißen, Fieberbildern und Ermat¬ tungen; aber verdruͤßlich iſts fuͤr einen Mann wie ich, der gern ſeine Nota von Muſikalien ab¬ fuͤhrt, und dem doch alles entfallen. In dieſer Noth bitt' ich Sie, ſo lange zu warten, bis ich mich der Sache entſinne, guter Rellſtab; dann, wahrlich haben Sie Ihr Geld auf der Stelle im Hauſe, was ſich im anderen Sinne ohnehin ver¬ ſteht.” Darauf erſchien der erſte Theaterſchneidermei¬ ſter und Garderobier und erſuchte mich um das Seinige. Ich antwortete: „lieber H. Freytag —

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/101>, abgerufen am 01.09.2024.