noch sittlichen Richterstuhle, zu entschuldigen steht. Z. B. die am 4ten Februar, wo er sagt, "das junge Leben als eine Sonne verschlingend verdauen und es als einen Mond kaken" -- Oder da, wo er dem dezenten Bruder, um ihn zu är¬ gern, erzählt, wie er, da er kein Wasser um sich gehabt, um es ins vertrocknete Dintenfaß zu gießen, sich doch so geholfen, daß er eintunken konnte, um sein Paquet Briefe, seinen "Briefbeu¬ tel", zu schreiben. Das zweite mag eher hinge¬ hen, daß er, wenn er mit vielen Oblaten Paque¬ te gesiegelt und doch keine Siegelpresse und keine Zeit, sondern zu viele Arbeit gehabt, sich blos ei¬ ne Zeit lang darauf gesetzt, um andere Sachen zu machen unter dem Siegeln. Es sind über¬ haupt, Verehrtester, in unserer Biographie so manche Anstößigkeiten gegen den laufenden Ge¬ schmack -- vom Titel an bis zu den Ueberschrif¬ ten der meisten Kapitel -- daß man ihn wohl mehr zu versöhnen als zu erbittern suchen muß.
Noch einen Grund erlauben Sie mir, da er der letzte ist. Unsere Bieographie soll doch, der Sache, der Kunst, der Schicklichkeit und
noch ſittlichen Richterſtuhle, zu entſchuldigen ſteht. Z. B. die am 4ten Februar, wo er ſagt, „das junge Leben als eine Sonne verſchlingend verdauen und es als einen Mond kaken“ — Oder da, wo er dem dezenten Bruder, um ihn zu aͤr¬ gern, erzaͤhlt, wie er, da er kein Waſſer um ſich gehabt, um es ins vertrocknete Dintenfaß zu gießen, ſich doch ſo geholfen, daß er eintunken konnte, um ſein Paquet Briefe, ſeinen „Briefbeu¬ tel“, zu ſchreiben. Das zweite mag eher hinge¬ hen, daß er, wenn er mit vielen Oblaten Paque¬ te geſiegelt und doch keine Siegelpreſſe und keine Zeit, ſondern zu viele Arbeit gehabt, ſich blos ei¬ ne Zeit lang darauf geſetzt, um andere Sachen zu machen unter dem Siegeln. Es ſind uͤber¬ haupt, Verehrteſter, in unſerer Biographie ſo manche Anſtoͤßigkeiten gegen den laufenden Ge¬ ſchmack — vom Titel an bis zu den Ueberſchrif¬ ten der meiſten Kapitel — daß man ihn wohl mehr zu verſoͤhnen als zu erbittern ſuchen muß.
Noch einen Grund erlauben Sie mir, da er der letzte iſt. Unſere Bieographie ſoll doch, der Sache, der Kunſt, der Schicklichkeit und
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noch ſittlichen Richterſtuhle, zu entſchuldigen
ſteht. Z. B. die am 4ten Februar, wo er ſagt,
„das junge Leben als eine Sonne verſchlingend
verdauen und es als einen Mond kaken“ — Oder
da, wo er dem dezenten Bruder, um ihn zu aͤr¬
gern, erzaͤhlt, wie er, da er kein Waſſer um ſich
gehabt, um es ins vertrocknete Dintenfaß zu
gießen, ſich doch ſo geholfen, daß er eintunken
konnte, um ſein Paquet Briefe, ſeinen „Briefbeu¬
tel“, zu ſchreiben. Das zweite mag eher hinge¬
hen, daß er, wenn er mit vielen Oblaten Paque¬
te geſiegelt und doch keine Siegelpreſſe und keine
Zeit, ſondern zu viele Arbeit gehabt, ſich blos ei¬
ne Zeit lang darauf geſetzt, um andere Sachen
zu machen unter dem Siegeln. Es ſind uͤber¬
haupt, Verehrteſter, in unſerer Biographie ſo
manche Anſtoͤßigkeiten gegen den laufenden Ge¬
ſchmack — vom Titel an bis zu den Ueberſchrif¬
ten der meiſten Kapitel — daß man ihn wohl
mehr zu verſoͤhnen als zu erbittern ſuchen muß.
Noch einen Grund erlauben Sie mir, da
er der letzte iſt. Unſere Bieographie ſoll doch,
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/141>, abgerufen am 23.11.2024.
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