möchte jetzt noch vor Freude über die Wundernacht weinen, wenn du nicht lachtest. ..."
"So weine zum Henker! Wer lacht denn, Satan, wenn einmal ein Mensch die Aufrichtig¬ keit in Person ist?
"Es erschien denn das h. Trinitatis-Fest mit einem blauen Morgen voll Lerchen und Bir¬ kendüfte; und als ich aus dem Bodenfenster diese Bläue über das ganze Dorf ausgespannt erblickte, wurde mir nicht, wie sonst an schönen Tagen, be¬ klommen, sondern fast wie jauchzend. Unten fand ich die Mutter, die sonst nur in die Nach¬ mittagskirche ging, schon angeputzt, und den Va¬ ter im Gottes-Tischrock, wodurch sie mir, zumal da sie unser Sonntags-Warmbier nicht mittran¬ ken, sehr ehrwürdig erschienen. Den Vater liebt' ich ohnehin am Sonntag stärker, weil er blos da rasiert war. Ich und du folgten ihnen in die Kirche; und ich weiß, wie darin die Heiligkeit meiner Eltern gleichsam in mich herüber zog unter der ganzen Predigt; eine fremde wird in einem bluts¬ verwandten Herzen fast eine größere."
"Mein Fall war es weniger. Ich lebte nie
moͤchte jetzt noch vor Freude uͤber die Wundernacht weinen, wenn du nicht lachteſt. ...”
„So weine zum Henker! Wer lacht denn, Satan, wenn einmal ein Menſch die Aufrichtig¬ keit in Perſon iſt?
„Es erſchien denn das h. Trinitatis-Feſt mit einem blauen Morgen voll Lerchen und Bir¬ kenduͤfte; und als ich aus dem Bodenfenſter dieſe Blaͤue uͤber das ganze Dorf ausgeſpannt erblickte, wurde mir nicht, wie ſonſt an ſchoͤnen Tagen, be¬ klommen, ſondern faſt wie jauchzend. Unten fand ich die Mutter, die ſonſt nur in die Nach¬ mittagskirche ging, ſchon angeputzt, und den Va¬ ter im Gottes-Tiſchrock, wodurch ſie mir, zumal da ſie unſer Sonntags-Warmbier nicht mittran¬ ken, ſehr ehrwuͤrdig erſchienen. Den Vater liebt' ich ohnehin am Sonntag ſtaͤrker, weil er blos da raſiert war. Ich und du folgten ihnen in die Kirche; und ich weiß, wie darin die Heiligkeit meiner Eltern gleichſam in mich heruͤber zog unter der ganzen Predigt; eine fremde wird in einem bluts¬ verwandten Herzen faſt eine groͤßere.”
„Mein Fall war es weniger. Ich lebte nie
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moͤchte jetzt noch vor Freude uͤber die Wundernacht
weinen, wenn du nicht lachteſt. ...”
„So weine zum Henker! Wer lacht denn,
Satan, wenn einmal ein Menſch die Aufrichtig¬
keit in Perſon iſt?
„Es erſchien denn das h. Trinitatis-Feſt
mit einem blauen Morgen voll Lerchen und Bir¬
kenduͤfte; und als ich aus dem Bodenfenſter dieſe
Blaͤue uͤber das ganze Dorf ausgeſpannt erblickte,
wurde mir nicht, wie ſonſt an ſchoͤnen Tagen, be¬
klommen, ſondern faſt wie jauchzend. Unten
fand ich die Mutter, die ſonſt nur in die Nach¬
mittagskirche ging, ſchon angeputzt, und den Va¬
ter im Gottes-Tiſchrock, wodurch ſie mir, zumal
da ſie unſer Sonntags-Warmbier nicht mittran¬
ken, ſehr ehrwuͤrdig erſchienen. Den Vater liebt'
ich ohnehin am Sonntag ſtaͤrker, weil er blos da
raſiert war. Ich und du folgten ihnen in die
Kirche; und ich weiß, wie darin die Heiligkeit
meiner Eltern gleichſam in mich heruͤber zog unter der
ganzen Predigt; eine fremde wird in einem bluts¬
verwandten Herzen faſt eine groͤßere.”
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/189>, abgerufen am 27.11.2024.
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