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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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lustiger als an ihren Kommuniontagen, weil ich
wußte, daß sie es für Sünde hielten, mich frü¬
her als nach Sonnenuntergang auszuwichsen --
und weil sie nach dem Abendmahl auch das Mit¬
tagsmahl bei dem Pfarrer nahmen, und wir
folglich das Schachbrett zum Rösselsprung frei
hatten. Steht es noch vor deiner Seele, mahlt
es sich noch glühend, färbt es sich noch brennend,
daß ich an demselben Sonntage mit einem Taschen¬
spiegel vom Chore herab den Sonnenglanz wie ei¬
nen Paradiesvogel durch die ganze Kirche, und
sogar um die zugedrückten Augen des Pfarrers
schießen ließ, indeß ich selber ruhig mit nachsah
und nachspürte? Und gedenkst du noch -- denn
nun entsinn' ich mich alles -- daß mich darüber
der satanische Kandidat erwischte, und der Vater
nach der Kirche mich nach der peinlichen Halsge¬
richts-Ordnung von Karl, die (im Art. 113.)
Gefangenschaft mit Besen-Streichen leicht ver¬
tauschen lässet, aus Andacht blos einkerkerte, an¬
statt, was mir lieber gewesen, mich halb todt zu
schlagen?"

"Du hieltest aber dennoch in der Kirche das

luſtiger als an ihren Kommuniontagen, weil ich
wußte, daß ſie es fuͤr Suͤnde hielten, mich fruͤ¬
her als nach Sonnenuntergang auszuwichſen —
und weil ſie nach dem Abendmahl auch das Mit¬
tagsmahl bei dem Pfarrer nahmen, und wir
folglich das Schachbrett zum Roͤſſelſprung frei
hatten. Steht es noch vor deiner Seele, mahlt
es ſich noch gluͤhend, faͤrbt es ſich noch brennend,
daß ich an demſelben Sonntage mit einem Taſchen¬
ſpiegel vom Chore herab den Sonnenglanz wie ei¬
nen Paradiesvogel durch die ganze Kirche, und
ſogar um die zugedruͤckten Augen des Pfarrers
ſchießen ließ, indeß ich ſelber ruhig mit nachſah
und nachſpuͤrte? Und gedenkſt du noch — denn
nun entſinn' ich mich alles — daß mich daruͤber
der ſataniſche Kandidat erwiſchte, und der Vater
nach der Kirche mich nach der peinlichen Halsge¬
richts-Ordnung von Karl, die (im Art. 113.)
Gefangenſchaft mit Beſen-Streichen leicht ver¬
tauſchen laͤſſet, aus Andacht blos einkerkerte, an¬
ſtatt, was mir lieber geweſen, mich halb todt zu
ſchlagen?“

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[184/0190] luſtiger als an ihren Kommuniontagen, weil ich wußte, daß ſie es fuͤr Suͤnde hielten, mich fruͤ¬ her als nach Sonnenuntergang auszuwichſen — und weil ſie nach dem Abendmahl auch das Mit¬ tagsmahl bei dem Pfarrer nahmen, und wir folglich das Schachbrett zum Roͤſſelſprung frei hatten. Steht es noch vor deiner Seele, mahlt es ſich noch gluͤhend, faͤrbt es ſich noch brennend, daß ich an demſelben Sonntage mit einem Taſchen¬ ſpiegel vom Chore herab den Sonnenglanz wie ei¬ nen Paradiesvogel durch die ganze Kirche, und ſogar um die zugedruͤckten Augen des Pfarrers ſchießen ließ, indeß ich ſelber ruhig mit nachſah und nachſpuͤrte? Und gedenkſt du noch — denn nun entſinn' ich mich alles — daß mich daruͤber der ſataniſche Kandidat erwiſchte, und der Vater nach der Kirche mich nach der peinlichen Halsge¬ richts-Ordnung von Karl, die (im Art. 113.) Gefangenſchaft mit Beſen-Streichen leicht ver¬ tauſchen laͤſſet, aus Andacht blos einkerkerte, an¬ ſtatt, was mir lieber geweſen, mich halb todt zu ſchlagen?“ „Du hielteſt aber dennoch in der Kirche das

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/190>, abgerufen am 27.11.2024.