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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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durch hohe grüne Kornfelder, worin ich die Schwe¬
ster hinter mir nachführte in der engen Wasser¬
furche. Alle Wiesen brannten im gelben Frühlings¬
feuer. Am Flusse lasen wir ausgespülte Muscheln
wegen ihres Schillerglanzes auf. Das Flößholz
schoß in Herden hinab in ferne Städte und Stu¬
ben, und ich hätte mich gern auf ein Scheit ge¬
stellt und wäre mitgeschifft! Viele Schafherden
waren schon nackt geschoren und legten sich mir
näher ans Herz, gleichsam ohne die Scheidewand
der Wolle. Die Sonne zog Wasser in langen
wolkigen Strahlen, aber mir kam es vor, als sei
die Erde mit Glanzbändern an die Sonne gehan¬
gen und wiege sich an ihr. Eine Wolke, die mehr
Glanz als Wasser hatte, regnete blos neben, nicht
auf uns; ich begriff aber damals gar nicht, als
ich die Gränzen der nassen und der trocknen Blu¬
men sah, wie ein Regen nicht allezeit über die
ganze Erde falle. Die Bäume neigten sich gegen
einander, als die Wolke tropfend darüber wegwehte,
wie die Menschen am Abendmahls-Altar. Wir
gingen ins Gartenhaus, das innen und außen
nur weiß ist; aber warum glänzet dieser kleine

durch hohe gruͤne Kornfelder, worin ich die Schwe¬
ſter hinter mir nachfuͤhrte in der engen Waſſer¬
furche. Alle Wieſen brannten im gelben Fruͤhlings¬
feuer. Am Fluſſe laſen wir ausgeſpuͤlte Muſcheln
wegen ihres Schillerglanzes auf. Das Floͤßholz
ſchoß in Herden hinab in ferne Staͤdte und Stu¬
ben, und ich haͤtte mich gern auf ein Scheit ge¬
ſtellt und waͤre mitgeſchifft! Viele Schafherden
waren ſchon nackt geſchoren und legten ſich mir
naͤher ans Herz, gleichſam ohne die Scheidewand
der Wolle. Die Sonne zog Waſſer in langen
wolkigen Strahlen, aber mir kam es vor, als ſei
die Erde mit Glanzbaͤndern an die Sonne gehan¬
gen und wiege ſich an ihr. Eine Wolke, die mehr
Glanz als Waſſer hatte, regnete blos neben, nicht
auf uns; ich begriff aber damals gar nicht, als
ich die Graͤnzen der naſſen und der trocknen Blu¬
men ſah, wie ein Regen nicht allezeit uͤber die
ganze Erde falle. Die Baͤume neigten ſich gegen
einander, als die Wolke tropfend daruͤber wegwehte,
wie die Menſchen am Abendmahls-Altar. Wir
gingen ins Gartenhaus, das innen und außen
nur weiß iſt; aber warum glaͤnzet dieſer kleine

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[189/0195] durch hohe gruͤne Kornfelder, worin ich die Schwe¬ ſter hinter mir nachfuͤhrte in der engen Waſſer¬ furche. Alle Wieſen brannten im gelben Fruͤhlings¬ feuer. Am Fluſſe laſen wir ausgeſpuͤlte Muſcheln wegen ihres Schillerglanzes auf. Das Floͤßholz ſchoß in Herden hinab in ferne Staͤdte und Stu¬ ben, und ich haͤtte mich gern auf ein Scheit ge¬ ſtellt und waͤre mitgeſchifft! Viele Schafherden waren ſchon nackt geſchoren und legten ſich mir naͤher ans Herz, gleichſam ohne die Scheidewand der Wolle. Die Sonne zog Waſſer in langen wolkigen Strahlen, aber mir kam es vor, als ſei die Erde mit Glanzbaͤndern an die Sonne gehan¬ gen und wiege ſich an ihr. Eine Wolke, die mehr Glanz als Waſſer hatte, regnete blos neben, nicht auf uns; ich begriff aber damals gar nicht, als ich die Graͤnzen der naſſen und der trocknen Blu¬ men ſah, wie ein Regen nicht allezeit uͤber die ganze Erde falle. Die Baͤume neigten ſich gegen einander, als die Wolke tropfend daruͤber wegwehte, wie die Menſchen am Abendmahls-Altar. Wir gingen ins Gartenhaus, das innen und außen nur weiß iſt; aber warum glaͤnzet dieſer kleine

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/195>, abgerufen am 27.11.2024.