Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

lisch-glücklich bleiben, weil in der That alle
Schrei-, Miß- und Zorn-Töne, die den Ohren
auf Gassen begegnen, stets hohe und höchste sind.

Meine Gedanken werfen sich so wild umher,
wie Granitblöcke; aber ich schreibe hier im Fin¬
stern bei hellem Sternenlicht; ich habe keine Zeit
-- die Post ist bestellt -- nichts noch eingepackt;
und du sollst nicht eher von meinem Unsichtbar¬
werden wissen, als nach ihm. Mit Briefen, die
ich dir, hoff' ich, schicke, sollen dir gar die we¬
nigen Ausschweifungen zukommen, die unserem
Hoppelpoppel noch fehlen, wenn er als fest zu¬
sammengeleimter und langgeschwänzter Papier¬
drache aufsteigen will in Leipzig in der Zahl¬
woche.

Gehabe dich wohl, du bist nicht zu ändern,
ich nicht zu bessern; so wollen wir einander denn
in wechselseitiger Luftperspective entlegen erblicken,
und jeder von uns sage: "warum warst du ein
Narr und kein Lamm?" Und doch Walt, bist
du allein an allem Schuld.


Als er eben in das Papier noch den zweiten

liſch-gluͤcklich bleiben, weil in der That alle
Schrei-, Miß- und Zorn-Toͤne, die den Ohren
auf Gaſſen begegnen, ſtets hohe und hoͤchſte ſind.

Meine Gedanken werfen ſich ſo wild umher,
wie Granitbloͤcke; aber ich ſchreibe hier im Fin¬
ſtern bei hellem Sternenlicht; ich habe keine Zeit
— die Poſt iſt beſtellt — nichts noch eingepackt;
und du ſollſt nicht eher von meinem Unſichtbar¬
werden wiſſen, als nach ihm. Mit Briefen, die
ich dir, hoff' ich, ſchicke, ſollen dir gar die we¬
nigen Ausſchweifungen zukommen, die unſerem
Hoppelpoppel noch fehlen, wenn er als feſt zu¬
ſammengeleimter und langgeſchwaͤnzter Papier¬
drache aufſteigen will in Leipzig in der Zahl¬
woche.

Gehabe dich wohl, du biſt nicht zu aͤndern,
ich nicht zu beſſern; ſo wollen wir einander denn
in wechſelſeitiger Luftperſpective entlegen erblicken,
und jeder von uns ſage: „warum warſt du ein
Narr und kein Lamm?“ Und doch Walt, biſt
du allein an allem Schuld.


Als er eben in das Papier noch den zweiten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0304" n="298"/>
li&#x017F;ch-glu&#x0364;cklich bleiben, weil in der That alle<lb/>
Schrei-, Miß- und Zorn-To&#x0364;ne, die den Ohren<lb/>
auf Ga&#x017F;&#x017F;en begegnen, &#x017F;tets hohe und ho&#x0364;ch&#x017F;te &#x017F;ind.</p><lb/>
        <p>Meine Gedanken werfen &#x017F;ich &#x017F;o wild umher,<lb/>
wie Granitblo&#x0364;cke; aber ich &#x017F;chreibe hier im Fin¬<lb/>
&#x017F;tern bei hellem Sternenlicht; ich habe keine Zeit<lb/>
&#x2014; die Po&#x017F;t i&#x017F;t be&#x017F;tellt &#x2014; nichts noch eingepackt;<lb/>
und du &#x017F;oll&#x017F;t nicht eher von meinem Un&#x017F;ichtbar¬<lb/>
werden wi&#x017F;&#x017F;en, als nach ihm. Mit Briefen, die<lb/>
ich dir, hoff' ich, &#x017F;chicke, &#x017F;ollen dir gar die we¬<lb/>
nigen Aus&#x017F;chweifungen zukommen, die un&#x017F;erem<lb/>
Hoppelpoppel noch fehlen, wenn er als fe&#x017F;t zu¬<lb/>
&#x017F;ammengeleimter und langge&#x017F;chwa&#x0364;nzter Papier¬<lb/>
drache auf&#x017F;teigen will in Leipzig in der Zahl¬<lb/>
woche.</p><lb/>
        <p>Gehabe dich wohl, du bi&#x017F;t nicht zu a&#x0364;ndern,<lb/>
ich nicht zu be&#x017F;&#x017F;ern; &#x017F;o wollen wir einander denn<lb/>
in wech&#x017F;el&#x017F;eitiger Luftper&#x017F;pective entlegen erblicken,<lb/>
und jeder von uns &#x017F;age: &#x201E;warum war&#x017F;t du ein<lb/>
Narr und kein Lamm?&#x201C; Und doch Walt, bi&#x017F;t<lb/>
du allein an allem Schuld.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Als er eben in das Papier noch den zweiten<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[298/0304] liſch-gluͤcklich bleiben, weil in der That alle Schrei-, Miß- und Zorn-Toͤne, die den Ohren auf Gaſſen begegnen, ſtets hohe und hoͤchſte ſind. Meine Gedanken werfen ſich ſo wild umher, wie Granitbloͤcke; aber ich ſchreibe hier im Fin¬ ſtern bei hellem Sternenlicht; ich habe keine Zeit — die Poſt iſt beſtellt — nichts noch eingepackt; und du ſollſt nicht eher von meinem Unſichtbar¬ werden wiſſen, als nach ihm. Mit Briefen, die ich dir, hoff' ich, ſchicke, ſollen dir gar die we¬ nigen Ausſchweifungen zukommen, die unſerem Hoppelpoppel noch fehlen, wenn er als feſt zu¬ ſammengeleimter und langgeſchwaͤnzter Papier¬ drache aufſteigen will in Leipzig in der Zahl¬ woche. Gehabe dich wohl, du biſt nicht zu aͤndern, ich nicht zu beſſern; ſo wollen wir einander denn in wechſelſeitiger Luftperſpective entlegen erblicken, und jeder von uns ſage: „warum warſt du ein Narr und kein Lamm?“ Und doch Walt, biſt du allein an allem Schuld. Als er eben in das Papier noch den zweiten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/304
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/304>, abgerufen am 21.11.2024.