Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

"hört und denkt, was ihn ja schon mit den nie¬
"drigsten Menschen und Thieren zuletzt versöhnt,
"nämlich das Beisammenseyn? Wer nimmt sich
"dann eines armen Ichs von Ewigkeit zu
"Ewigkeit so sehr an als dieses Ich selber?
"-- Ich weiß recht gut, was ich sage;
"und jeden Einwurf. Doch basta! -- Nur
"möcht' ich wissen, wenn man wie du, schon
"kalt und ohne Leidenschaft die armen Menschen
"so rauh richtet und nimmt: was dann werden
"soll in heftiger Hitze, wo man von selber über¬
"treibt? Vielleicht wie mit deiner Uhr, wovon
"du mir sagtest, daß der Stift, blos weil er
"eben und recht passe, in kalter Zeit gut thue,
"aber in der Hitze, weil er sich ausdehne, das
"Werk aufhalte."

"Solltest du nicht getrunken haben? -- sag¬
"te Vult. Du sprichst heute so viel; aber in der
"That sehr gut."

Nun bat ihn Walt, selber mit zu trinken,
und mit ihm hinab zu gehen, um sich drunten
mit eignen Ohren von seinem schönen Leben mit
Flitte zu überreden. "Der Tollheit wegen, thu

„hoͤrt und denkt, was ihn ja ſchon mit den nie¬
„drigſten Menſchen und Thieren zuletzt verſoͤhnt,
„naͤmlich das Beiſammenſeyn? Wer nimmt ſich
„dann eines armen Ichs von Ewigkeit zu
„Ewigkeit ſo ſehr an als dieſes Ich ſelber?
„— Ich weiß recht gut, was ich ſage;
„und jeden Einwurf. Doch basta! — Nur
„moͤcht' ich wiſſen, wenn man wie du, ſchon
„kalt und ohne Leidenſchaft die armen Menſchen
„ſo rauh richtet und nimmt: was dann werden
„ſoll in heftiger Hitze, wo man von ſelber uͤber¬
„treibt? Vielleicht wie mit deiner Uhr, wovon
„du mir ſagteſt, daß der Stift, blos weil er
„eben und recht paſſe, in kalter Zeit gut thue,
„aber in der Hitze, weil er ſich ausdehne, das
„Werk aufhalte.“

„Sollteſt du nicht getrunken haben? — ſag¬
„te Vult. Du ſprichſt heute ſo viel; aber in der
„That ſehr gut.“

Nun bat ihn Walt, ſelber mit zu trinken,
und mit ihm hinab zu gehen, um ſich drunten
mit eignen Ohren von ſeinem ſchoͤnen Leben mit
Flitte zu uͤberreden. „Der Tollheit wegen, thu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0080" n="74"/>
&#x201E;ho&#x0364;rt und denkt, was ihn ja &#x017F;chon mit den nie¬<lb/>
&#x201E;drig&#x017F;ten Men&#x017F;chen und Thieren zuletzt ver&#x017F;o&#x0364;hnt,<lb/>
&#x201E;na&#x0364;mlich das Bei&#x017F;ammen&#x017F;eyn? Wer nimmt &#x017F;ich<lb/>
&#x201E;dann eines armen Ichs von Ewigkeit zu<lb/>
&#x201E;Ewigkeit &#x017F;o &#x017F;ehr an als die&#x017F;es Ich &#x017F;elber?<lb/>
&#x201E;&#x2014; Ich weiß recht gut, was ich &#x017F;age;<lb/>
&#x201E;und jeden Einwurf. Doch <hi rendition="#aq">basta</hi>! &#x2014; Nur<lb/>
&#x201E;mo&#x0364;cht' ich wi&#x017F;&#x017F;en, wenn man wie du, &#x017F;chon<lb/>
&#x201E;kalt und ohne Leiden&#x017F;chaft die armen Men&#x017F;chen<lb/>
&#x201E;&#x017F;o rauh richtet und nimmt: was dann werden<lb/>
&#x201E;&#x017F;oll in heftiger Hitze, wo man von &#x017F;elber u&#x0364;ber¬<lb/>
&#x201E;treibt? Vielleicht wie mit deiner Uhr, wovon<lb/>
&#x201E;du mir &#x017F;agte&#x017F;t, daß der Stift, blos weil er<lb/>
&#x201E;eben und recht pa&#x017F;&#x017F;e, in kalter Zeit gut thue,<lb/>
&#x201E;aber in der Hitze, weil er &#x017F;ich ausdehne, das<lb/>
&#x201E;Werk aufhalte.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sollte&#x017F;t du nicht getrunken haben? &#x2014; &#x017F;ag¬<lb/>
&#x201E;te Vult. Du &#x017F;prich&#x017F;t heute &#x017F;o viel; aber in der<lb/>
&#x201E;That &#x017F;ehr gut.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Nun bat ihn Walt, &#x017F;elber mit zu trinken,<lb/>
und mit ihm hinab zu gehen, um &#x017F;ich drunten<lb/>
mit eignen Ohren von &#x017F;einem &#x017F;cho&#x0364;nen Leben mit<lb/>
Flitte zu u&#x0364;berreden. &#x201E;Der Tollheit wegen, thu<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[74/0080] „hoͤrt und denkt, was ihn ja ſchon mit den nie¬ „drigſten Menſchen und Thieren zuletzt verſoͤhnt, „naͤmlich das Beiſammenſeyn? Wer nimmt ſich „dann eines armen Ichs von Ewigkeit zu „Ewigkeit ſo ſehr an als dieſes Ich ſelber? „— Ich weiß recht gut, was ich ſage; „und jeden Einwurf. Doch basta! — Nur „moͤcht' ich wiſſen, wenn man wie du, ſchon „kalt und ohne Leidenſchaft die armen Menſchen „ſo rauh richtet und nimmt: was dann werden „ſoll in heftiger Hitze, wo man von ſelber uͤber¬ „treibt? Vielleicht wie mit deiner Uhr, wovon „du mir ſagteſt, daß der Stift, blos weil er „eben und recht paſſe, in kalter Zeit gut thue, „aber in der Hitze, weil er ſich ausdehne, das „Werk aufhalte.“ „Sollteſt du nicht getrunken haben? — ſag¬ „te Vult. Du ſprichſt heute ſo viel; aber in der „That ſehr gut.“ Nun bat ihn Walt, ſelber mit zu trinken, und mit ihm hinab zu gehen, um ſich drunten mit eignen Ohren von ſeinem ſchoͤnen Leben mit Flitte zu uͤberreden. „Der Tollheit wegen, thu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/80
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/80>, abgerufen am 26.11.2024.