Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

rechtwinklichten Knien gelegt und wimmerte ein¬
tönig: "nun so erbarms denn Gott und wer
will! Das sind also die Garben und Weinlesen,
die ich davon trage nach allem Anspannen und
Hierseyn! Und der Teufel hauset wie er will! das
ist der Lohn, daß ich wie der Rumormeister bald
hinten, bald vornen im Heere ritt bei jedem Un¬
fug. -- -- Nu so schwör' ich, daß ich tausend¬
mal lieber einem Schiffsvolk mitten im Sturm
auf einem Schaukel-Schiffe den Bart abnehmen
will, als einen Dichter sauber scheeren, den alles
bewegt und erschüttert. Lieber den Brocken hinauf
will ich als hinterster Leichenträger im Wedel-
Mantel eine Leiche tragen und nachstemmen, als
einen Poeten geleiten und fortschaffen hinauf
und hinab; denn dem redlichen, nicht ganz vieh¬
dummen Bruder glaubt der Poet weniger als
weichem Diebsgesindel, das ihn umstellt und mit
Füßen tritt wie ein Töpfer den Thon, um ihn zu
knäten."

"Ich muß dir gestehen -- erwiederte Walt
sehr ernst -- daß der weichste Mensch zum ersten

rechtwinklichten Knien gelegt und wimmerte ein¬
toͤnig: „nun ſo erbarms denn Gott und wer
will! Das ſind alſo die Garben und Weinleſen,
die ich davon trage nach allem Anſpannen und
Hierſeyn! Und der Teufel hauſet wie er will! das
iſt der Lohn, daß ich wie der Rumormeiſter bald
hinten, bald vornen im Heere ritt bei jedem Un¬
fug. — — Nu ſo ſchwoͤr' ich, daß ich tauſend¬
mal lieber einem Schiffsvolk mitten im Sturm
auf einem Schaukel-Schiffe den Bart abnehmen
will, als einen Dichter ſauber ſcheeren, den alles
bewegt und erſchuͤttert. Lieber den Brocken hinauf
will ich als hinterſter Leichentraͤger im Wedel-
Mantel eine Leiche tragen und nachſtemmen, als
einen Poeten geleiten und fortſchaffen hinauf
und hinab; denn dem redlichen, nicht ganz vieh¬
dummen Bruder glaubt der Poet weniger als
weichem Diebsgeſindel, das ihn umſtellt und mit
Fuͤßen tritt wie ein Toͤpfer den Thon, um ihn zu
knaͤten.“

„Ich muß dir geſtehen — erwiederte Walt
ſehr ernſt — daß der weichſte Menſch zum erſten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0091" n="85"/>
rechtwinklichten Knien gelegt und wimmerte ein¬<lb/>
to&#x0364;nig: &#x201E;nun &#x017F;o erbarms denn Gott und wer<lb/>
will! Das &#x017F;ind al&#x017F;o die Garben und Weinle&#x017F;en,<lb/>
die ich davon trage nach allem An&#x017F;pannen und<lb/>
Hier&#x017F;eyn! Und der Teufel hau&#x017F;et wie er will! das<lb/>
i&#x017F;t der Lohn, daß ich wie der Rumormei&#x017F;ter bald<lb/>
hinten, bald vornen im Heere ritt bei jedem Un¬<lb/>
fug. &#x2014; &#x2014; Nu &#x017F;o &#x017F;chwo&#x0364;r' ich, daß ich tau&#x017F;end¬<lb/>
mal lieber einem Schiffsvolk mitten im Sturm<lb/>
auf einem Schaukel-Schiffe den Bart abnehmen<lb/>
will, als einen Dichter &#x017F;auber &#x017F;cheeren, den alles<lb/>
bewegt und er&#x017F;chu&#x0364;ttert. Lieber den Brocken hinauf<lb/>
will ich als hinter&#x017F;ter Leichentra&#x0364;ger im Wedel-<lb/>
Mantel eine Leiche tragen und nach&#x017F;temmen, als<lb/>
einen Poeten geleiten und fort&#x017F;chaffen hinauf<lb/>
und hinab; denn dem redlichen, nicht ganz vieh¬<lb/>
dummen Bruder glaubt der Poet weniger als<lb/>
weichem Diebsge&#x017F;indel, das ihn um&#x017F;tellt und mit<lb/>
Fu&#x0364;ßen tritt wie ein To&#x0364;pfer den Thon, um ihn zu<lb/>
kna&#x0364;ten.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich muß dir ge&#x017F;tehen &#x2014; erwiederte Walt<lb/>
&#x017F;ehr ern&#x017F;t &#x2014; daß der weich&#x017F;te Men&#x017F;ch zum er&#x017F;ten<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[85/0091] rechtwinklichten Knien gelegt und wimmerte ein¬ toͤnig: „nun ſo erbarms denn Gott und wer will! Das ſind alſo die Garben und Weinleſen, die ich davon trage nach allem Anſpannen und Hierſeyn! Und der Teufel hauſet wie er will! das iſt der Lohn, daß ich wie der Rumormeiſter bald hinten, bald vornen im Heere ritt bei jedem Un¬ fug. — — Nu ſo ſchwoͤr' ich, daß ich tauſend¬ mal lieber einem Schiffsvolk mitten im Sturm auf einem Schaukel-Schiffe den Bart abnehmen will, als einen Dichter ſauber ſcheeren, den alles bewegt und erſchuͤttert. Lieber den Brocken hinauf will ich als hinterſter Leichentraͤger im Wedel- Mantel eine Leiche tragen und nachſtemmen, als einen Poeten geleiten und fortſchaffen hinauf und hinab; denn dem redlichen, nicht ganz vieh¬ dummen Bruder glaubt der Poet weniger als weichem Diebsgeſindel, das ihn umſtellt und mit Fuͤßen tritt wie ein Toͤpfer den Thon, um ihn zu knaͤten.“ „Ich muß dir geſtehen — erwiederte Walt ſehr ernſt — daß der weichſte Menſch zum erſten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/91
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/91>, abgerufen am 24.11.2024.