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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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Städten miethet man sich alles, Häuser, Pferde,
Kutschen, böse Frauen, besonders aber zuerst
Geld. In letzterem ging ich weit. Schulden füh¬
ren wie andere Silber-Pillen erst den Morgen
darauf, wenn man ausgeschlafen, das ab, was
man noch hat. Eine Figurantin bei dem Ballet,
welche ich heirathen wollte; weil sie die Unschuld
selber war, und folglich solche nie verlieren konn¬
te, steigerte das Leid ohne Beilied, die Schulden,
noch höher, weil wir die Flitter- und Honig-
Wochen vor der Ehe abthaten, damit diese nach¬
her ungestört aus Einem Stück gemacht wäre;
Flittern und Honig wollen aber gekauft seyn. Wie
wir freilich liebten, sie im bessern Sinne Figu¬
rantin, ich Figurist, mit welchen Konfigurazio¬
nen -- davon ist kein anderer Zeuge mehr da --
denn sie wollte kein bloßes Bruststück -- als ihr
Herzgrubenstück, das ich in einer Ferne von 6
Schuhen malte, indem ich nämlich, selber ein
lebendiges Kniestück, die niedrigen Beine aus
Ehrfurcht hinter mich oder meine Schenkel zurück¬
werfend, vor ihr stand auf den bekannten Scheiben
der Kniee. Aerzte haben oft bemerkt, daß plötz¬

Staͤdten miethet man ſich alles, Haͤuſer, Pferde,
Kutſchen, boͤſe Frauen, beſonders aber zuerſt
Geld. In letzterem ging ich weit. Schulden fuͤh¬
ren wie andere Silber-Pillen erſt den Morgen
darauf, wenn man ausgeſchlafen, das ab, was
man noch hat. Eine Figurantin bei dem Ballet,
welche ich heirathen wollte; weil ſie die Unſchuld
ſelber war, und folglich ſolche nie verlieren konn¬
te, ſteigerte das Leid ohne Beilied, die Schulden,
noch hoͤher, weil wir die Flitter- und Honig-
Wochen vor der Ehe abthaten, damit dieſe nach¬
her ungeſtoͤrt aus Einem Stuͤck gemacht waͤre;
Flittern und Honig wollen aber gekauft ſeyn. Wie
wir freilich liebten, ſie im beſſern Sinne Figu¬
rantin, ich Figuriſt, mit welchen Konfigurazio¬
nen — davon iſt kein anderer Zeuge mehr da —
denn ſie wollte kein bloßes Bruſtſtuͤck — als ihr
Herzgrubenſtuͤck, das ich in einer Ferne von 6
Schuhen malte, indem ich naͤmlich, ſelber ein
lebendiges Knieſtuͤck, die niedrigen Beine aus
Ehrfurcht hinter mich oder meine Schenkel zuruͤck¬
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der Kniee. Aerzte haben oft bemerkt, daß ploͤtz¬

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[92/0098] Staͤdten miethet man ſich alles, Haͤuſer, Pferde, Kutſchen, boͤſe Frauen, beſonders aber zuerſt Geld. In letzterem ging ich weit. Schulden fuͤh¬ ren wie andere Silber-Pillen erſt den Morgen darauf, wenn man ausgeſchlafen, das ab, was man noch hat. Eine Figurantin bei dem Ballet, welche ich heirathen wollte; weil ſie die Unſchuld ſelber war, und folglich ſolche nie verlieren konn¬ te, ſteigerte das Leid ohne Beilied, die Schulden, noch hoͤher, weil wir die Flitter- und Honig- Wochen vor der Ehe abthaten, damit dieſe nach¬ her ungeſtoͤrt aus Einem Stuͤck gemacht waͤre; Flittern und Honig wollen aber gekauft ſeyn. Wie wir freilich liebten, ſie im beſſern Sinne Figu¬ rantin, ich Figuriſt, mit welchen Konfigurazio¬ nen — davon iſt kein anderer Zeuge mehr da — denn ſie wollte kein bloßes Bruſtſtuͤck — als ihr Herzgrubenſtuͤck, das ich in einer Ferne von 6 Schuhen malte, indem ich naͤmlich, ſelber ein lebendiges Knieſtuͤck, die niedrigen Beine aus Ehrfurcht hinter mich oder meine Schenkel zuruͤck¬ werfend, vor ihr ſtand auf den bekannten Scheiben der Kniee. Aerzte haben oft bemerkt, daß ploͤtz¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/98>, abgerufen am 24.11.2024.