Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

liches Erschrecken den Körper und dessen Finger so
frostig-knapp einziehe und einklemme, daß Rin¬
ge, die letztern sonst nicht abzuschrauben waren,
von selber abglitten. Es sollte mir so gut wer¬
den, etwas ähnliches zu beobachten. Das gute
Tanz-Wesen erschrack so fürchterlich, als ich nach¬
her beschreiben werde, den 7 Februar im Karne¬
val. Ich stieß bei ihr vorher meine gewöhnliche
Anzahl Seufzer in einer Minute aus -- nämlich
vier und zwanzig, wovon, weil man in einer nur
zwölfmal athmet, die Hälfte aus-, die Hälfte
eingezogen wird -- that die alten Wünsche, ich
möchte meinen Seufzern Luft machen können, als
ob ein Seufzer aus etwas anderm bestände, und
rief endlich im Feuer aus: "wie viel, du Kost¬
bare, bin ich Berlin schuldig, daß ich dich
kennen lernte, Unbezahlbare" --: als plötzlich
bei diesen Worten, wie bei Stichworten, meine
ganze Dienerschaft von Lakaien und meine
ganze Herrschaft von Hausherren an der Spitze
eines Jokeys herein drangen auf mein Theater --
leider keines, worauf meine Kebsbraut sprang --
und Dinge von mir verlangten, die ich natürlich
nicht bewilligen konnte. Meiner Geliebten -- die

liches Erſchrecken den Koͤrper und deſſen Finger ſo
froſtig-knapp einziehe und einklemme, daß Rin¬
ge, die letztern ſonſt nicht abzuſchrauben waren,
von ſelber abglitten. Es ſollte mir ſo gut wer¬
den, etwas aͤhnliches zu beobachten. Das gute
Tanz-Weſen erſchrack ſo fuͤrchterlich, als ich nach¬
her beſchreiben werde, den 7 Februar im Karne¬
val. Ich ſtieß bei ihr vorher meine gewoͤhnliche
Anzahl Seufzer in einer Minute aus — naͤmlich
vier und zwanzig, wovon, weil man in einer nur
zwoͤlfmal athmet, die Haͤlfte aus-, die Haͤlfte
eingezogen wird — that die alten Wuͤnſche, ich
moͤchte meinen Seufzern Luft machen koͤnnen, als
ob ein Seufzer aus etwas anderm beſtaͤnde, und
rief endlich im Feuer aus: „wie viel, du Koſt¬
bare, bin ich Berlin ſchuldig, daß ich dich
kennen lernte, Unbezahlbare“ —: als ploͤtzlich
bei dieſen Worten, wie bei Stichworten, meine
ganze Dienerſchaft von Lakaien und meine
ganze Herrſchaft von Hausherren an der Spitze
eines Jokeys herein drangen auf mein Theater —
leider keines, worauf meine Kebsbraut ſprang —
und Dinge von mir verlangten, die ich natuͤrlich
nicht bewilligen konnte. Meiner Geliebten — die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0099" n="93"/>
liches Er&#x017F;chrecken den Ko&#x0364;rper und de&#x017F;&#x017F;en Finger &#x017F;o<lb/>
fro&#x017F;tig-knapp einziehe und einklemme, daß Rin¬<lb/>
ge, die letztern &#x017F;on&#x017F;t nicht abzu&#x017F;chrauben waren,<lb/>
von &#x017F;elber abglitten. Es &#x017F;ollte mir &#x017F;o gut wer¬<lb/>
den, etwas a&#x0364;hnliches zu beobachten. Das gute<lb/>
Tanz-We&#x017F;en er&#x017F;chrack &#x017F;o fu&#x0364;rchterlich, als ich nach¬<lb/>
her be&#x017F;chreiben werde, den 7 Februar im Karne¬<lb/>
val. Ich &#x017F;tieß bei ihr vorher meine gewo&#x0364;hnliche<lb/>
Anzahl Seufzer in einer Minute aus &#x2014; na&#x0364;mlich<lb/>
vier und zwanzig, wovon, weil man in einer nur<lb/>
zwo&#x0364;lfmal athmet, die Ha&#x0364;lfte aus-, die Ha&#x0364;lfte<lb/>
eingezogen wird &#x2014; that die alten Wu&#x0364;n&#x017F;che, ich<lb/>
mo&#x0364;chte meinen Seufzern Luft machen ko&#x0364;nnen, als<lb/>
ob ein Seufzer aus etwas anderm be&#x017F;ta&#x0364;nde, und<lb/>
rief endlich im Feuer aus: &#x201E;wie viel, du Ko&#x017F;<lb/>
bare, bin ich Berlin <hi rendition="#g">&#x017F;chuldig</hi>, daß ich dich<lb/>
kennen lernte, Unbezahlbare&#x201C; &#x2014;: als plo&#x0364;tzlich<lb/>
bei die&#x017F;en Worten, wie bei Stichworten, meine<lb/>
ganze Diener&#x017F;chaft von Lakaien und meine<lb/>
ganze Herr&#x017F;chaft von Hausherren an der Spitze<lb/>
eines Jokeys herein drangen auf mein Theater &#x2014;<lb/>
leider keines, worauf meine Kebsbraut &#x017F;prang &#x2014;<lb/>
und Dinge von mir verlangten, die ich natu&#x0364;rlich<lb/>
nicht bewilligen konnte. Meiner Geliebten &#x2014; die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[93/0099] liches Erſchrecken den Koͤrper und deſſen Finger ſo froſtig-knapp einziehe und einklemme, daß Rin¬ ge, die letztern ſonſt nicht abzuſchrauben waren, von ſelber abglitten. Es ſollte mir ſo gut wer¬ den, etwas aͤhnliches zu beobachten. Das gute Tanz-Weſen erſchrack ſo fuͤrchterlich, als ich nach¬ her beſchreiben werde, den 7 Februar im Karne¬ val. Ich ſtieß bei ihr vorher meine gewoͤhnliche Anzahl Seufzer in einer Minute aus — naͤmlich vier und zwanzig, wovon, weil man in einer nur zwoͤlfmal athmet, die Haͤlfte aus-, die Haͤlfte eingezogen wird — that die alten Wuͤnſche, ich moͤchte meinen Seufzern Luft machen koͤnnen, als ob ein Seufzer aus etwas anderm beſtaͤnde, und rief endlich im Feuer aus: „wie viel, du Koſt¬ bare, bin ich Berlin ſchuldig, daß ich dich kennen lernte, Unbezahlbare“ —: als ploͤtzlich bei dieſen Worten, wie bei Stichworten, meine ganze Dienerſchaft von Lakaien und meine ganze Herrſchaft von Hausherren an der Spitze eines Jokeys herein drangen auf mein Theater — leider keines, worauf meine Kebsbraut ſprang — und Dinge von mir verlangten, die ich natuͤrlich nicht bewilligen konnte. Meiner Geliebten — die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/99
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/99>, abgerufen am 06.10.2024.