Plane verunglücken, weil das Herz dem Kopfe nach¬ arbeitet und weil man beim Ende der Ausführung we¬ niger Behutsamkeit aufwendet als beym Anfange der selben. Er sah seinen geliebten an, die Flötenkehle der Nachtigal setzte den Text seiner Liebe in Musik und unbeschreiblich gerührt sagte er: "Du Bester! "dein Herz ist zu gut, um nicht von denen überli¬ "stet zu werden, die dich nicht erreichen. O wenn "einmal die Schneide des Hoftons blutig über die "Adern deiner Brust wegzöge -- (Flamins Mine sah "wie die Frage aus: bist du denn nicht auch saty¬ risch?) o wenn der, der keine Tugend und Uneigen¬ "nützigkeit glaubt, auch einmal keine mehr bewiese; "wenn er dich sehr betröge, wenn die vom Hof ge¬ "härtete Hand einmal Blut und Thränen wie ein "Zitronenquetscher aus deinem Herzen drückte: dann "verzweifle nur nicht, nur nicht an der Freundschaft " -- denn deine Mutter und ich lieben dich doch "anders. O zu der Zeit, wo du sagen müssest: "warum hab' ich nicht meinem Freunde gehorcht, "der mich so warnte, und meiner Mutter, die mich "so liebte -- da darfst du zu mir kommen, zu dem, "der sich niemals ändert und der deinen Irrthum "höher schätzet als eigennützige Behutsamkeit; dann "führ' ich dich weinend zu deiner Mutter und sage zu ihr: nimm ihn ganz, nur du bist werth, ihn zu "lieben." -- Flamin sagte gar nichts darauf. --
Plane verungluͤcken, weil das Herz dem Kopfe nach¬ arbeitet und weil man beim Ende der Ausfuͤhrung we¬ niger Behutſamkeit aufwendet als beym Anfange der ſelben. Er ſah ſeinen geliebten an, die Floͤtenkehle der Nachtigal ſetzte den Text ſeiner Liebe in Muſik und unbeſchreiblich geruͤhrt ſagte er: »Du Beſter! »dein Herz iſt zu gut, um nicht von denen uͤberli¬ »ſtet zu werden, die dich nicht erreichen. O wenn »einmal die Schneide des Hoftons blutig uͤber die »Adern deiner Bruſt wegzoͤge — (Flamins Mine ſah »wie die Frage aus: biſt du denn nicht auch ſaty¬ riſch?) o wenn der, der keine Tugend und Uneigen¬ »nuͤtzigkeit glaubt, auch einmal keine mehr bewieſe; »wenn er dich ſehr betroͤge, wenn die vom Hof ge¬ »haͤrtete Hand einmal Blut und Thraͤnen wie ein »Zitronenquetſcher aus deinem Herzen druͤckte: dann »verzweifle nur nicht, nur nicht an der Freundſchaft » — denn deine Mutter und ich lieben dich doch »anders. O zu der Zeit, wo du ſagen muͤſſeſt: »warum hab' ich nicht meinem Freunde gehorcht, »der mich ſo warnte, und meiner Mutter, die mich »ſo liebte — da darfſt du zu mir kommen, zu dem, »der ſich niemals aͤndert und der deinen Irrthum »hoͤher ſchaͤtzet als eigennuͤtzige Behutſamkeit; dann »fuͤhr' ich dich weinend zu deiner Mutter und ſage zu ihr: nimm ihn ganz, nur du biſt werth, ihn zu »lieben.« — Flamin ſagte gar nichts darauf. —
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der Nachtigal ſetzte den Text ſeiner Liebe in Muſik
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»dein Herz iſt zu gut, um nicht von denen uͤberli¬
»ſtet zu werden, die dich nicht erreichen. O wenn
»einmal die Schneide des Hoftons blutig uͤber die
»Adern deiner Bruſt wegzoͤge — (Flamins Mine ſah
»wie die Frage aus: biſt du denn nicht auch ſaty¬
riſch?) o wenn der, der keine Tugend und Uneigen¬
»nuͤtzigkeit glaubt, auch einmal keine mehr bewieſe;
»wenn er dich ſehr betroͤge, wenn die vom Hof ge¬
»haͤrtete Hand einmal Blut und Thraͤnen wie ein
»Zitronenquetſcher aus deinem Herzen druͤckte: dann
»verzweifle nur nicht, nur nicht an der Freundſchaft
» — denn deine Mutter und ich lieben dich doch
»anders. O zu der Zeit, wo du ſagen muͤſſeſt:
»warum hab' ich nicht meinem Freunde gehorcht,
»der mich ſo warnte, und meiner Mutter, die mich
»ſo liebte — da darfſt du zu mir kommen, zu dem,
»der ſich niemals aͤndert und der deinen Irrthum
»hoͤher ſchaͤtzet als eigennuͤtzige Behutſamkeit; dann
»fuͤhr' ich dich weinend zu deiner Mutter und ſage
zu ihr: nimm ihn ganz, nur du biſt werth, ihn zu
»lieben.« — Flamin ſagte gar nichts darauf. —
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/120>, abgerufen am 09.11.2024.
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