nachher halbiren und dem Lord hinlangen müssen, der mit seinem Geburtstag ausstieg.
Betrügen wollte zweitens Sebastian und sie den alten Kaplan, der vergessen, daß er geboren worden -- welches ihm schon bei seinem ersten Geburtstage begegnet war. Die Menschen behalten einen frem¬ den Lebenslauf besser als den eignen: wahrhaftig wir achten eine Geschichte, die einmal die unsrige war und die die Hülse der verflognen Stunden ist, viel zu wenig und doch werden die Zeittropfen, durch die wir schwimmen, erst in der Ferne der Erinne¬ rung zum Regenbogen des Genusses. Die Männer wissen wenn alle Kaiser geboren und alle Philoso¬ phen gestorben sind -- die Weiber wissen aus der Chronologie bloß das, wenn ihre Männer, die ihre Regenten und klassischen Autores sind, beides tha¬ ten. Viktor, dessen feines Gefühl von zu großen Aufmerksamkeiten für ihn versehret wurde, war froh, daß Eymanns Schultern die Hälfte der heutigen Ehre tragen mußten.
Betrügen wollte drittens der Pfarrherr so gut als einer und zwar jeden. Da dieser Festtag -- wie die drei hohen Feste der Klöster -- zugleich Rasirtag war, an welchem die gescheutesten Köpfe die dümm¬ sten Gesichter machen: so schnitt der Barbier mit der Rasir-Lanzette in des Seelensorgers Haut wie in eine Birkenrinde sein Andenken; aber dieses we¬
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nachher halbiren und dem Lord hinlangen muͤſſen, der mit ſeinem Geburtstag ausſtieg.
Betruͤgen wollte zweitens Sebaſtian und ſie den alten Kaplan, der vergeſſen, daß er geboren worden — welches ihm ſchon bei ſeinem erſten Geburtstage begegnet war. Die Menſchen behalten einen frem¬ den Lebenslauf beſſer als den eignen: wahrhaftig wir achten eine Geſchichte, die einmal die unſrige war und die die Huͤlſe der verflognen Stunden iſt, viel zu wenig und doch werden die Zeittropfen, durch die wir ſchwimmen, erſt in der Ferne der Erinne¬ rung zum Regenbogen des Genuſſes. Die Maͤnner wiſſen wenn alle Kaiſer geboren und alle Philoſo¬ phen geſtorben ſind — die Weiber wiſſen aus der Chronologie bloß das, wenn ihre Maͤnner, die ihre Regenten und klaſſiſchen Autores ſind, beides tha¬ ten. Viktor, deſſen feines Gefuͤhl von zu großen Aufmerkſamkeiten fuͤr ihn verſehret wurde, war froh, daß Eymanns Schultern die Haͤlfte der heutigen Ehre tragen mußten.
Betruͤgen wollte drittens der Pfarrherr ſo gut als einer und zwar jeden. Da dieſer Feſttag — wie die drei hohen Feſte der Kloͤſter — zugleich Raſirtag war, an welchem die geſcheuteſten Koͤpfe die duͤmm¬ ſten Geſichter machen: ſo ſchnitt der Barbier mit der Raſir-Lanzette in des Seelenſorgers Haut wie in eine Birkenrinde ſein Andenken; aber dieſes we¬
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nachher halbiren und dem Lord hinlangen muͤſſen,
der mit ſeinem Geburtstag ausſtieg.
Betruͤgen wollte zweitens Sebaſtian und ſie den
alten Kaplan, der vergeſſen, daß er geboren worden
— welches ihm ſchon bei ſeinem erſten Geburtstage
begegnet war. Die Menſchen behalten einen frem¬
den Lebenslauf beſſer als den eignen: wahrhaftig
wir achten eine Geſchichte, die einmal die unſrige
war und die die Huͤlſe der verflognen Stunden iſt,
viel zu wenig und doch werden die Zeittropfen, durch
die wir ſchwimmen, erſt in der Ferne der Erinne¬
rung zum Regenbogen des Genuſſes. Die Maͤnner
wiſſen wenn alle Kaiſer geboren und alle Philoſo¬
phen geſtorben ſind — die Weiber wiſſen aus der
Chronologie bloß das, wenn ihre Maͤnner, die ihre
Regenten und klaſſiſchen Autores ſind, beides tha¬
ten. Viktor, deſſen feines Gefuͤhl von zu großen
Aufmerkſamkeiten fuͤr ihn verſehret wurde, war froh,
daß Eymanns Schultern die Haͤlfte der heutigen
Ehre tragen mußten.
Betruͤgen wollte drittens der Pfarrherr ſo gut
als einer und zwar jeden. Da dieſer Feſttag — wie
die drei hohen Feſte der Kloͤſter — zugleich Raſirtag
war, an welchem die geſcheuteſten Koͤpfe die duͤmm¬
ſten Geſichter machen: ſo ſchnitt der Barbier mit
der Raſir-Lanzette in des Seelenſorgers Haut wie
in eine Birkenrinde ſein Andenken; aber dieſes we¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/126>, abgerufen am 09.11.2024.
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