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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

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nige Blut, das ausquoll, führte dem Pfarrer einen
klügern Gedanken zu als das was der Bader drin
ließ, welches doch den Nervensaft absonderte, der
nach den seichtesten Denkern die Gelenkschmiere un¬
srer geistigen Bewegungen, die Goldsolution unsrer
reichhaltigsten Ideen und der Geist unsers Geistes
ist. Dieser klügere Gedanke, den ich so lobe, war
der, sich auf dem linken Arm zur Ader zu lassen --
es dem ganzen Hause zu verhalten -- Abends dem
Lord Glück zu wünschen und jedem -- und am Ende
den Aermel auszuziehen und die Wunde zu zeigen
wie ein Römer und zu sagen: gratulirt doch! -- Er
setzte es durch und der Scheerer mußte staunend et¬
was anders zerhacken als das Kinn. Der Blessirte
gab ihm das Geleite bis an die Hofthüre, nicht aus
Höflichkeit, sondern damit ers nicht der ganzen Haus¬
genossenschaft vortrüge sondern den Vorfall über¬
haupt bei sich behielte, ausgenommen in Häusern,
wo ein Bart und ein Ohr war. Denn ein Ge¬
schichtschreiber sey immerhin der Monatszeiger
der Zeit -- und folglich sey der Zeitungssetzer der
Stundenzeiger derselben -- mithin ein Weib ihr
Sekundenzeiger: so ist doch der Bartputzer bei¬
des, das Weib und der Sekundenzeiger.

Als Flamin und Viktor hinuntergingen ins
Wohn- Putz- Sommer- Winterzimmer, stach unter
lauter frohen Gesichtern ein verdrüßliches vor, das

nige Blut, das ausquoll, fuͤhrte dem Pfarrer einen
kluͤgern Gedanken zu als das was der Bader drin
ließ, welches doch den Nervenſaft abſonderte, der
nach den ſeichteſten Denkern die Gelenkſchmiere un¬
ſrer geiſtigen Bewegungen, die Goldſolution unſrer
reichhaltigſten Ideen und der Geiſt unſers Geiſtes
iſt. Dieſer kluͤgere Gedanke, den ich ſo lobe, war
der, ſich auf dem linken Arm zur Ader zu laſſen —
es dem ganzen Hauſe zu verhalten — Abends dem
Lord Gluͤck zu wuͤnſchen und jedem — und am Ende
den Aermel auszuziehen und die Wunde zu zeigen
wie ein Roͤmer und zu ſagen: gratulirt doch! — Er
ſetzte es durch und der Scheerer mußte ſtaunend et¬
was anders zerhacken als das Kinn. Der Bleſſirte
gab ihm das Geleite bis an die Hofthuͤre, nicht aus
Hoͤflichkeit, ſondern damit ers nicht der ganzen Haus¬
genoſſenſchaft vortruͤge ſondern den Vorfall uͤber¬
haupt bei ſich behielte, ausgenommen in Haͤuſern,
wo ein Bart und ein Ohr war. Denn ein Ge¬
ſchichtſchreiber ſey immerhin der Monatszeiger
der Zeit — und folglich ſey der Zeitungsſetzer der
Stundenzeiger derſelben — mithin ein Weib ihr
Sekundenzeiger: ſo iſt doch der Bartputzer bei¬
des, das Weib und der Sekundenzeiger.

Als Flamin und Viktor hinuntergingen ins
Wohn- Putz- Sommer- Winterzimmer, ſtach unter
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[116/0127] nige Blut, das ausquoll, fuͤhrte dem Pfarrer einen kluͤgern Gedanken zu als das was der Bader drin ließ, welches doch den Nervenſaft abſonderte, der nach den ſeichteſten Denkern die Gelenkſchmiere un¬ ſrer geiſtigen Bewegungen, die Goldſolution unſrer reichhaltigſten Ideen und der Geiſt unſers Geiſtes iſt. Dieſer kluͤgere Gedanke, den ich ſo lobe, war der, ſich auf dem linken Arm zur Ader zu laſſen — es dem ganzen Hauſe zu verhalten — Abends dem Lord Gluͤck zu wuͤnſchen und jedem — und am Ende den Aermel auszuziehen und die Wunde zu zeigen wie ein Roͤmer und zu ſagen: gratulirt doch! — Er ſetzte es durch und der Scheerer mußte ſtaunend et¬ was anders zerhacken als das Kinn. Der Bleſſirte gab ihm das Geleite bis an die Hofthuͤre, nicht aus Hoͤflichkeit, ſondern damit ers nicht der ganzen Haus¬ genoſſenſchaft vortruͤge ſondern den Vorfall uͤber¬ haupt bei ſich behielte, ausgenommen in Haͤuſern, wo ein Bart und ein Ohr war. Denn ein Ge¬ ſchichtſchreiber ſey immerhin der Monatszeiger der Zeit — und folglich ſey der Zeitungsſetzer der Stundenzeiger derſelben — mithin ein Weib ihr Sekundenzeiger: ſo iſt doch der Bartputzer bei¬ des, das Weib und der Sekundenzeiger. Als Flamin und Viktor hinuntergingen ins Wohn- Putz- Sommer- Winterzimmer, ſtach unter lauter frohen Geſichtern ein verdruͤßliches vor, das

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/127>, abgerufen am 04.12.2024.