ses im letzten Winter geschah, als Flamin seine aka¬ demische Laufbahn zu Ende gelaufen war: so konnte Matthieu, zwar die Oktoberprobe des Mahls noch nicht vornehmen; aber er klebe sich doch (schien es dem Lord) mit seinen Laubfroschfüßen an diese gute Seele an und unter dem Deckmantel der Liebe ge¬ gen Agathe und gegen den Freund häng' er seine Fäden aus, lasse sie vom Winde zwischen dem Für¬ stenschlosse und Pfarrhause aufspannen, spinne immer einen über den andern bis endlich der Vater, Schleu¬ nes, das rechte Netz zum Umwickeln des Fanges zu¬ sammengezwirnt hätte. . . . Ich gesteh' es, durch diese Vermuthung geht mir ein Licht über tausend Dinge auf. --
Viktor erstaunte ärger als wir und schlug dem Lord vor, ob er nicht ohne Schaden seines Eides Klotilden seinen Eintritt in diese Mysterien offenba¬ ren könnte, da er zwei Gründe dazu hätte; erstlich würde ihrer Delikatesse die Verlegenheit über den Schein erspart, den ihre brüderliche Liebe sonst nach ihrer Meinung in seinen Augen haben müßte *)-- zweitens behielte man ein Geheimniß besser, wenn nur noch Einer daran schweigen hälfe wie von Mi¬ das Barbier und dem Schilfrohr bekannt sey -- der
*) Daher sie auch, so lange Viktor im Pfarrhause war, der Gesellschaft Flamins auswich.
ſes im letzten Winter geſchah, als Flamin ſeine aka¬ demiſche Laufbahn zu Ende gelaufen war: ſo konnte Matthieu, zwar die Oktoberprobe des Mahls noch nicht vornehmen; aber er klebe ſich doch (ſchien es dem Lord) mit ſeinen Laubfroſchfuͤßen an dieſe gute Seele an und unter dem Deckmantel der Liebe ge¬ gen Agathe und gegen den Freund haͤng' er ſeine Faͤden aus, laſſe ſie vom Winde zwiſchen dem Fuͤr¬ ſtenſchloſſe und Pfarrhauſe aufſpannen, ſpinne immer einen uͤber den andern bis endlich der Vater, Schleu¬ nes, das rechte Netz zum Umwickeln des Fanges zu¬ ſammengezwirnt haͤtte. . . . Ich geſteh' es, durch dieſe Vermuthung geht mir ein Licht uͤber tauſend Dinge auf. —
Viktor erſtaunte aͤrger als wir und ſchlug dem Lord vor, ob er nicht ohne Schaden ſeines Eides Klotilden ſeinen Eintritt in dieſe Myſterien offenba¬ ren koͤnnte, da er zwei Gruͤnde dazu haͤtte; erſtlich wuͤrde ihrer Delikateſſe die Verlegenheit uͤber den Schein erſpart, den ihre bruͤderliche Liebe ſonſt nach ihrer Meinung in ſeinen Augen haben muͤßte *)— zweitens behielte man ein Geheimniß beſſer, wenn nur noch Einer daran ſchweigen haͤlfe wie von Mi¬ das Barbier und dem Schilfrohr bekannt ſey — der
*) Daher ſie auch, ſo lange Viktor im Pfarrhauſe war, der Geſellſchaft Flamins auswich.
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ſes im letzten Winter geſchah, als Flamin ſeine aka¬
demiſche Laufbahn zu Ende gelaufen war: ſo konnte
Matthieu, zwar die Oktoberprobe des Mahls noch
nicht vornehmen; aber er klebe ſich doch (ſchien es
dem Lord) mit ſeinen Laubfroſchfuͤßen an dieſe gute
Seele an und unter dem Deckmantel der Liebe ge¬
gen Agathe und gegen den Freund haͤng' er ſeine
Faͤden aus, laſſe ſie vom Winde zwiſchen dem Fuͤr¬
ſtenſchloſſe und Pfarrhauſe aufſpannen, ſpinne immer
einen uͤber den andern bis endlich der Vater, Schleu¬
nes, das rechte Netz zum Umwickeln des Fanges zu¬
ſammengezwirnt haͤtte. . . . Ich geſteh' es, durch
dieſe Vermuthung geht mir ein Licht uͤber tauſend
Dinge auf. —
Viktor erſtaunte aͤrger als wir und ſchlug dem
Lord vor, ob er nicht ohne Schaden ſeines Eides
Klotilden ſeinen Eintritt in dieſe Myſterien offenba¬
ren koͤnnte, da er zwei Gruͤnde dazu haͤtte; erſtlich
wuͤrde ihrer Delikateſſe die Verlegenheit uͤber den
Schein erſpart, den ihre bruͤderliche Liebe ſonſt nach
ihrer Meinung in ſeinen Augen haben muͤßte *)—
zweitens behielte man ein Geheimniß beſſer, wenn
nur noch Einer daran ſchweigen haͤlfe wie von Mi¬
das Barbier und dem Schilfrohr bekannt ſey — der
*)
Daher ſie auch, ſo lange Viktor im Pfarrhauſe war, der
Geſellſchaft Flamins auswich.
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/306>, abgerufen am 23.11.2024.
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