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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

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als er die Wünsche der Familie hörte, daß der
Lord glücklich mit dem geliebten Fürstenkinde zurück¬
kommen möge und die Nachricht, daß der Regie¬
rungsrath schon alles eingepackt habe, um mit sei¬
nem Freunde jede Stunde die er wolle, in die Stadt
zu ziehen: so hatte Viktor nichts zu thun als --
seine absondernden Thränenwege in seiner Augen¬
höle hinauszutragen. . . .

-- Aber in den Garten! das war unüberlegt.
Flamin ging nach und sie langten miteinander im
Laub Kloset vor den Theetrinkerinnen an. Nie¬
mals verschatteten die Zweige desselben ein ver¬
legneres Gesicht, weichere Augen, vollere Blicke und
lebhaftere oder schönere Träume als Viktor darun¬
ter mitbrachte Er dachte sich jetzt Klotilde als ein
ganz neues Wesen und dachte also -- da er nicht
wußte, ob sie ihn liebe -- recht dumm; der
Mensch achtet allezeit, wenn er den Berg überstiegen
hat, den kommenden Hügel für nichts: Flamin war
sein Berg gewesen und Klotilde sein Hügel. -- In
allen Visiten Untiefen, wo man schon halb im Si¬
tzen oder Sinken ist, giebts keine herrlichere Schifs¬
pumpe als eine Historie, die man zu erzählen hat.
Man gebe mir Verlegenheit und den größten Cercle
und nur Ein Unglück, nämlich die Anekdote davon,
die noch keiner weiß als ich, so will ich mich schon
retten. Viktor brachte also seinen Schwimmgürtel

als er die Wuͤnſche der Familie hoͤrte, daß der
Lord gluͤcklich mit dem geliebten Fuͤrſtenkinde zuruͤck¬
kommen moͤge und die Nachricht, daß der Regie¬
rungsrath ſchon alles eingepackt habe, um mit ſei¬
nem Freunde jede Stunde die er wolle, in die Stadt
zu ziehen: ſo hatte Viktor nichts zu thun als —
ſeine abſondernden Thraͤnenwege in ſeiner Augen¬
hoͤle hinauszutragen. . . .

— Aber in den Garten! das war unuͤberlegt.
Flamin ging nach und ſie langten miteinander im
Laub Kloſet vor den Theetrinkerinnen an. Nie¬
mals verſchatteten die Zweige deſſelben ein ver¬
legneres Geſicht, weichere Augen, vollere Blicke und
lebhaftere oder ſchoͤnere Traͤume als Viktor darun¬
ter mitbrachte Er dachte ſich jetzt Klotilde als ein
ganz neues Weſen und dachte alſo — da er nicht
wußte, ob ſie ihn liebe — recht dumm; der
Menſch achtet allezeit, wenn er den Berg uͤberſtiegen
hat, den kommenden Huͤgel fuͤr nichts: Flamin war
ſein Berg geweſen und Klotilde ſein Huͤgel. — In
allen Viſiten Untiefen, wo man ſchon halb im Si¬
tzen oder Sinken iſt, giebts keine herrlichere Schifs¬
pumpe als eine Hiſtorie, die man zu erzaͤhlen hat.
Man gebe mir Verlegenheit und den groͤßten Cercle
und nur Ein Ungluͤck, naͤmlich die Anekdote davon,
die noch keiner weiß als ich, ſo will ich mich ſchon
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[358/0369] als er die Wuͤnſche der Familie hoͤrte, daß der Lord gluͤcklich mit dem geliebten Fuͤrſtenkinde zuruͤck¬ kommen moͤge und die Nachricht, daß der Regie¬ rungsrath ſchon alles eingepackt habe, um mit ſei¬ nem Freunde jede Stunde die er wolle, in die Stadt zu ziehen: ſo hatte Viktor nichts zu thun als — ſeine abſondernden Thraͤnenwege in ſeiner Augen¬ hoͤle hinauszutragen. . . . — Aber in den Garten! das war unuͤberlegt. Flamin ging nach und ſie langten miteinander im Laub Kloſet vor den Theetrinkerinnen an. Nie¬ mals verſchatteten die Zweige deſſelben ein ver¬ legneres Geſicht, weichere Augen, vollere Blicke und lebhaftere oder ſchoͤnere Traͤume als Viktor darun¬ ter mitbrachte Er dachte ſich jetzt Klotilde als ein ganz neues Weſen und dachte alſo — da er nicht wußte, ob ſie ihn liebe — recht dumm; der Menſch achtet allezeit, wenn er den Berg uͤberſtiegen hat, den kommenden Huͤgel fuͤr nichts: Flamin war ſein Berg geweſen und Klotilde ſein Huͤgel. — In allen Viſiten Untiefen, wo man ſchon halb im Si¬ tzen oder Sinken iſt, giebts keine herrlichere Schifs¬ pumpe als eine Hiſtorie, die man zu erzaͤhlen hat. Man gebe mir Verlegenheit und den groͤßten Cercle und nur Ein Ungluͤck, naͤmlich die Anekdote davon, die noch keiner weiß als ich, ſo will ich mich ſchon retten. Viktor brachte alſo ſeinen Schwimmguͤrtel

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/369>, abgerufen am 15.06.2024.