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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

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rohr der Tänzer einknallte, da er schon die Ohren
der Menschen erschreckte. Gegen den Eulerschen
Rösselsprung der Ratten zog er bloß mit einem
Schlägel zu Felde, womit er, wie ein jüngster Tag
in ihre Lust- und Jagdpartien einbrechend, bloß ein
oder zweimal auf eine ans Betttuch gestellte Trom¬
mel puste.

Mathieu war unsichtbar und feierte, da Höf¬
linge den Fürsten alles nachäffen, die Hochzeittage
des seinigen wenigstens in kleinen Hochzeitstunden
nach. Das Pulver, das aus Kanonen und aus
Stuvers Papilloten fuhr, das Vivat, das aus Kan¬
zeln gebetet und aus Schenken geschrien wurde, und
die Schulden, die man dabei machte, waren denk'
ich so ansehnlich, daß der größte Fürst sich nicht
schämen durfte, damit seine Vermählung und --
Langeweile anzuzeigen. -- Die Kälte hat ewig ein
Sprachrohr und die Empfindung ein Hörrohr.
Die Ankunft einer ungeliebten fürstlichen Leiche oder
dergleichen Braut hört man an den Polarzirkeln;
hingegen wenn wir Niedere unsre Gräber oder unsre
Arme mit Geliebten füllen: so fallen bloß einige un¬
gehörte Thränen, trostlose oder seelige.

Flamin lechzete nach dem Sessionstisch, dessen
Kanikularferien zu Ende gingen, und begriff das Zö¬
gern nicht. ... Endlich wurd' einmal im ganzen
Ernste der Abschiedstermin festgesetzt, auf den 10.

August;

rohr der Taͤnzer einknallte, da er ſchon die Ohren
der Menſchen erſchreckte. Gegen den Eulerſchen
Roͤſſelſprung der Ratten zog er bloß mit einem
Schlaͤgel zu Felde, womit er, wie ein juͤngſter Tag
in ihre Luſt- und Jagdpartien einbrechend, bloß ein
oder zweimal auf eine ans Betttuch geſtellte Trom¬
mel puſte.

Mathieu war unſichtbar und feierte, da Hoͤf¬
linge den Fuͤrſten alles nachaͤffen, die Hochzeittage
des ſeinigen wenigſtens in kleinen Hochzeitſtunden
nach. Das Pulver, das aus Kanonen und aus
Stuvers Papilloten fuhr, das Vivat, das aus Kan¬
zeln gebetet und aus Schenken geſchrien wurde, und
die Schulden, die man dabei machte, waren denk'
ich ſo anſehnlich, daß der groͤßte Fuͤrſt ſich nicht
ſchaͤmen durfte, damit ſeine Vermaͤhlung und —
Langeweile anzuzeigen. — Die Kaͤlte hat ewig ein
Sprachrohr und die Empfindung ein Hoͤrrohr.
Die Ankunft einer ungeliebten fuͤrſtlichen Leiche oder
dergleichen Braut hoͤrt man an den Polarzirkeln;
hingegen wenn wir Niedere unſre Graͤber oder unſre
Arme mit Geliebten fuͤllen: ſo fallen bloß einige un¬
gehoͤrte Thraͤnen, troſtloſe oder ſeelige.

Flamin lechzete nach dem Seſſionstiſch, deſſen
Kanikularferien zu Ende gingen, und begriff das Zoͤ¬
gern nicht. ... Endlich wurd' einmal im ganzen
Ernſte der Abſchiedstermin feſtgeſetzt, auf den 10.

Auguſt;
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[368/0379] rohr der Taͤnzer einknallte, da er ſchon die Ohren der Menſchen erſchreckte. Gegen den Eulerſchen Roͤſſelſprung der Ratten zog er bloß mit einem Schlaͤgel zu Felde, womit er, wie ein juͤngſter Tag in ihre Luſt- und Jagdpartien einbrechend, bloß ein oder zweimal auf eine ans Betttuch geſtellte Trom¬ mel puſte. Mathieu war unſichtbar und feierte, da Hoͤf¬ linge den Fuͤrſten alles nachaͤffen, die Hochzeittage des ſeinigen wenigſtens in kleinen Hochzeitſtunden nach. Das Pulver, das aus Kanonen und aus Stuvers Papilloten fuhr, das Vivat, das aus Kan¬ zeln gebetet und aus Schenken geſchrien wurde, und die Schulden, die man dabei machte, waren denk' ich ſo anſehnlich, daß der groͤßte Fuͤrſt ſich nicht ſchaͤmen durfte, damit ſeine Vermaͤhlung und — Langeweile anzuzeigen. — Die Kaͤlte hat ewig ein Sprachrohr und die Empfindung ein Hoͤrrohr. Die Ankunft einer ungeliebten fuͤrſtlichen Leiche oder dergleichen Braut hoͤrt man an den Polarzirkeln; hingegen wenn wir Niedere unſre Graͤber oder unſre Arme mit Geliebten fuͤllen: ſo fallen bloß einige un¬ gehoͤrte Thraͤnen, troſtloſe oder ſeelige. Flamin lechzete nach dem Seſſionstiſch, deſſen Kanikularferien zu Ende gingen, und begriff das Zoͤ¬ gern nicht. ... Endlich wurd' einmal im ganzen Ernſte der Abſchiedstermin feſtgeſetzt, auf den 10. Auguſt;

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/379>, abgerufen am 15.06.2024.