min als Roturier und als Mann von Ehre durchaus
seine bürgerlichen Visiten dem kammerherrlichen Hause
nicht aufdrang. Klotilde kam oft; und war dadurch
in einem mir bis jetzt unaufgelöseten Widerspruch
mit ihrem weiblich erhabnen Karakter.
Flamin tauchte Matthieu's Bild in einen ganz
andern Färbekessel als der Mutter ihren: ein lüder¬
liches Genie war er und nichts schlimmers. Er
machte alles in der Welt nach und ihn konnte man
nicht nachmachen -- er konnte alle Akteurs der
Flachsenfinger Truppe nachagiren und travestiren, und
die Logen auch -- er verstand alle Wissenschaften
und parlirte alle Sprachen der Europäer, ja sogar
der Nachtigal und des Hahns, so täuschend, daß Pe¬
trarka *) und Petrus davon gelaufen wären -- er
konnte überall thun was er wollte und jede Hofda¬
me entschuldigte sich mit der andern -- denn es ge¬
hörte einmal zum Ton in Flachsenfingen, seine Treue
einmal auf die Probe gesetzt zu haben. -- Man
sagt, die Liebe gegen ihn wurde wie ein Strumpf,
bei der Wade zu stricken angefangen, es ist aber
grundfalsch -- es ist daher bei so einer ununterbro¬
chenen Mäßigkeit in Hoflustbarkeiten kein Wunder,
daß er stärker und gesünder war als der ganze
min als Roturier und als Mann von Ehre durchaus
ſeine buͤrgerlichen Viſiten dem kammerherrlichen Hauſe
nicht aufdrang. Klotilde kam oft; und war dadurch
in einem mir bis jetzt unaufgeloͤſeten Widerſpruch
mit ihrem weiblich erhabnen Karakter.
Flamin tauchte Matthieu's Bild in einen ganz
andern Faͤrbekeſſel als der Mutter ihren: ein luͤder¬
liches Genie war er und nichts ſchlimmers. Er
machte alles in der Welt nach und ihn konnte man
nicht nachmachen — er konnte alle Akteurs der
Flachſenfinger Truppe nachagiren und traveſtiren, und
die Logen auch — er verſtand alle Wiſſenſchaften
und parlirte alle Sprachen der Europaͤer, ja ſogar
der Nachtigal und des Hahns, ſo taͤuſchend, daß Pe¬
trarka *) und Petrus davon gelaufen waͤren — er
konnte uͤberall thun was er wollte und jede Hofda¬
me entſchuldigte ſich mit der andern — denn es ge¬
hoͤrte einmal zum Ton in Flachſenfingen, ſeine Treue
einmal auf die Probe geſetzt zu haben. — Man
ſagt, die Liebe gegen ihn wurde wie ein Strumpf,
bei der Wade zu ſtricken angefangen, es iſt aber
grundfalſch — es iſt daher bei ſo einer ununterbro¬
chenen Maͤßigkeit in Hofluſtbarkeiten kein Wunder,
daß er ſtaͤrker und geſuͤnder war als der ganze
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[82/0093]
min als Roturier und als Mann von Ehre durchaus
ſeine buͤrgerlichen Viſiten dem kammerherrlichen Hauſe
nicht aufdrang. Klotilde kam oft; und war dadurch
in einem mir bis jetzt unaufgeloͤſeten Widerſpruch
mit ihrem weiblich erhabnen Karakter.
Flamin tauchte Matthieu's Bild in einen ganz
andern Faͤrbekeſſel als der Mutter ihren: ein luͤder¬
liches Genie war er und nichts ſchlimmers. Er
machte alles in der Welt nach und ihn konnte man
nicht nachmachen — er konnte alle Akteurs der
Flachſenfinger Truppe nachagiren und traveſtiren, und
die Logen auch — er verſtand alle Wiſſenſchaften
und parlirte alle Sprachen der Europaͤer, ja ſogar
der Nachtigal und des Hahns, ſo taͤuſchend, daß Pe¬
trarka *) und Petrus davon gelaufen waͤren — er
konnte uͤberall thun was er wollte und jede Hofda¬
me entſchuldigte ſich mit der andern — denn es ge¬
hoͤrte einmal zum Ton in Flachſenfingen, ſeine Treue
einmal auf die Probe geſetzt zu haben. — Man
ſagt, die Liebe gegen ihn wurde wie ein Strumpf,
bei der Wade zu ſtricken angefangen, es iſt aber
grundfalſch — es iſt daher bei ſo einer ununterbro¬
chenen Maͤßigkeit in Hofluſtbarkeiten kein Wunder,
daß er ſtaͤrker und geſuͤnder war als der ganze
*)
Petrarka mied (wie deutſche Rezenſenten) die Nachtigallen
und ſuchte die Froͤſche.