deine Klotilde und unser Julius wenn wir alle die wir uns lieben, beisammen stehen; wenn ich eure Stimmen höre: so werd' ich gen Himmel blicken und sagen: die Abendglocken des Lebens umtönen mich zu wehmüthig, ich werde vor Entzückung noch früher sterben als vor dem längsten Tage und eh' mir mein verewigter Vater erschienen ist.
Emanuel.
Lieber Emanuel, das wirst du leider! Der Freu¬ den-Himmel dringt an deinen Mund und unter We¬ hen, unter Tönen, unter Küssen saugt er dir den flackernden Athem aus: denn der Erdenleib, der nur grasen nicht pflücken will, verdauet nur nie¬ drige Freuden und erkaltet unter dem Strahl ei¬ ner höhern Sonne! -- --
Mit Rührung zieh' ich jetzt von Viktors entzwei gedrücktem unkentlichen Angesicht den Schleier weg, der seine Schmerzen bedeckt. Laß dich anschauen, trostloser Mensch, der einem Frühling entgegen geht, wo sein Herz alles verlieren soll, Emanuel durch den Tod, Klotilde durch Liebe, Flamin durch Eifersucht, sogar Joachime durch Argwohn! Laß dich anschauen, Verarmter, ich weiß, warum dein Auge noch trocken ist und warum du gebrochen und den Kopf schüt¬
deine Klotilde und unſer Julius wenn wir alle die wir uns lieben, beiſammen ſtehen; wenn ich eure Stimmen hoͤre: ſo werd' ich gen Himmel blicken und ſagen: die Abendglocken des Lebens umtoͤnen mich zu wehmuͤthig, ich werde vor Entzuͤckung noch fruͤher ſterben als vor dem laͤngſten Tage und eh' mir mein verewigter Vater erſchienen iſt.
Emanuel.
Lieber Emanuel, das wirſt du leider! Der Freu¬ den-Himmel dringt an deinen Mund und unter We¬ hen, unter Toͤnen, unter Kuͤſſen ſaugt er dir den flackernden Athem aus: denn der Erdenleib, der nur graſen nicht pfluͤcken will, verdauet nur nie¬ drige Freuden und erkaltet unter dem Strahl ei¬ ner hoͤhern Sonne! — —
Mit Ruͤhrung zieh' ich jetzt von Viktors entzwei gedruͤcktem unkentlichen Angeſicht den Schleier weg, der ſeine Schmerzen bedeckt. Laß dich anſchauen, troſtloſer Menſch, der einem Fruͤhling entgegen geht, wo ſein Herz alles verlieren ſoll, Emanuel durch den Tod, Klotilde durch Liebe, Flamin durch Eiferſucht, ſogar Joachime durch Argwohn! Laß dich anſchauen, Verarmter, ich weiß, warum dein Auge noch trocken iſt und warum du gebrochen und den Kopf ſchuͤt¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0271"n="261"/>
deine Klotilde und unſer Julius wenn wir alle die<lb/>
wir uns lieben, beiſammen ſtehen; wenn ich eure<lb/>
Stimmen hoͤre: ſo werd' ich gen Himmel blicken<lb/>
und ſagen: die Abendglocken des Lebens umtoͤnen<lb/>
mich zu wehmuͤthig, ich werde vor Entzuͤckung noch<lb/>
fruͤher ſterben als vor dem laͤngſten Tage und eh'<lb/>
mir mein verewigter Vater erſchienen iſt.</p><lb/><p><hirendition="#g">Emanuel</hi>.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Lieber Emanuel, das wirſt du leider! Der Freu¬<lb/>
den-Himmel dringt an deinen Mund und unter We¬<lb/>
hen, unter Toͤnen, unter Kuͤſſen ſaugt er dir den<lb/>
flackernden Athem aus: denn der Erdenleib, der nur<lb/><hirendition="#g">graſen</hi> nicht <hirendition="#g">pfluͤcken</hi> will, verdauet nur <hirendition="#g">nie¬<lb/>
drige</hi> Freuden und erkaltet unter dem Strahl ei¬<lb/>
ner <hirendition="#g">hoͤhern</hi> Sonne! ——</p><lb/><p>Mit Ruͤhrung zieh' ich jetzt von Viktors entzwei<lb/>
gedruͤcktem unkentlichen Angeſicht den Schleier weg,<lb/>
der ſeine Schmerzen bedeckt. Laß dich anſchauen,<lb/>
troſtloſer Menſch, der einem Fruͤhling entgegen geht,<lb/>
wo ſein Herz alles verlieren ſoll, Emanuel durch den<lb/>
Tod, Klotilde durch Liebe, Flamin durch Eiferſucht,<lb/>ſogar Joachime durch Argwohn! Laß dich anſchauen,<lb/>
Verarmter, ich weiß, warum dein Auge noch trocken<lb/>
iſt und warum du gebrochen und den Kopf ſchuͤt¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[261/0271]
deine Klotilde und unſer Julius wenn wir alle die
wir uns lieben, beiſammen ſtehen; wenn ich eure
Stimmen hoͤre: ſo werd' ich gen Himmel blicken
und ſagen: die Abendglocken des Lebens umtoͤnen
mich zu wehmuͤthig, ich werde vor Entzuͤckung noch
fruͤher ſterben als vor dem laͤngſten Tage und eh'
mir mein verewigter Vater erſchienen iſt.
Emanuel.
Lieber Emanuel, das wirſt du leider! Der Freu¬
den-Himmel dringt an deinen Mund und unter We¬
hen, unter Toͤnen, unter Kuͤſſen ſaugt er dir den
flackernden Athem aus: denn der Erdenleib, der nur
graſen nicht pfluͤcken will, verdauet nur nie¬
drige Freuden und erkaltet unter dem Strahl ei¬
ner hoͤhern Sonne! — —
Mit Ruͤhrung zieh' ich jetzt von Viktors entzwei
gedruͤcktem unkentlichen Angeſicht den Schleier weg,
der ſeine Schmerzen bedeckt. Laß dich anſchauen,
troſtloſer Menſch, der einem Fruͤhling entgegen geht,
wo ſein Herz alles verlieren ſoll, Emanuel durch den
Tod, Klotilde durch Liebe, Flamin durch Eiferſucht,
ſogar Joachime durch Argwohn! Laß dich anſchauen,
Verarmter, ich weiß, warum dein Auge noch trocken
iſt und warum du gebrochen und den Kopf ſchuͤt¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/271>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.