Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

"trauet. Aber nichts verträgt sich weniger mit dem
"ächten Nepotismus als daß selber der Straus brü¬
"tet zu Nachts und in kältern Orten persönlich,
"und unterlässet es nur dann, wo die Sonne besser
"brütet: so sorgt auch der Mann von Einfluß nur
"in solchen Fällen für seine Vettern, wenn großer
"Mangel von Verdiensten es erfordert. Ich gesteh'
"es, die Moral kann so wenig Nepotismus wie
"Freundschaften gebieten; aber das Verdienst ist
"desto größer, wenn man ohne alle moralische Ver¬
"bindlichkeit mit seinem Stammbaum gleichsam die
"halben Thronstufen überdeckt." -- Dieser satirische
Hüttenrauch und Schwaden nahm die Britten für
ihn ein, zumal da der Rauch edle Metalle, nämlich
die höchste Unpartheilichkeit bei einem Sohne vor¬
aussetzte, dessen Vater Minister war.

Da der Apotheker das Souper tranchirte --
Maz hatt' ihn ersucht, le grand escuyer tranchant
zu seyn -- so paßte sein Freund Matthieu es ab,
bis er einen großen Truthan an der Gabel hatte,
um ihn in der Luft wie Reiger die Fische und noch
dazu italienisch zu zerfällen: dann nahm der Edle
seinen Weg über den Partage-Truthahn und über
Pohlen durch die Wahlreihe bis er in den Erbrei¬
chen anlangte, wo er stille lag, um da die Bemer¬
kung zu machen, daß ganz natürlicher Weise der erste
große Diktator seinen Sohn auf seinem Thron nach

»trauet. Aber nichts vertraͤgt ſich weniger mit dem
»aͤchten Nepotismus als daß ſelber der Straus bruͤ¬
»tet zu Nachts und in kaͤltern Orten perſoͤnlich,
»und unterlaͤſſet es nur dann, wo die Sonne beſſer
»bruͤtet: ſo ſorgt auch der Mann von Einfluß nur
»in ſolchen Faͤllen fuͤr ſeine Vettern, wenn großer
»Mangel von Verdienſten es erfordert. Ich geſteh'
»es, die Moral kann ſo wenig Nepotismus wie
»Freundſchaften gebieten; aber das Verdienſt iſt
»deſto groͤßer, wenn man ohne alle moraliſche Ver¬
»bindlichkeit mit ſeinem Stammbaum gleichſam die
»halben Thronſtufen uͤberdeckt.« — Dieſer ſatiriſche
Huͤttenrauch und Schwaden nahm die Britten fuͤr
ihn ein, zumal da der Rauch edle Metalle, naͤmlich
die hoͤchſte Unpartheilichkeit bei einem Sohne vor¬
ausſetzte, deſſen Vater Miniſter war.

Da der Apotheker das Souper tranchirte —
Maz hatt' ihn erſucht, le grand escuyer tranchant
zu ſeyn — ſo paßte ſein Freund Matthieu es ab,
bis er einen großen Truthan an der Gabel hatte,
um ihn in der Luft wie Reiger die Fiſche und noch
dazu italieniſch zu zerfaͤllen: dann nahm der Edle
ſeinen Weg uͤber den Partage-Truthahn und uͤber
Pohlen durch die Wahlreihe bis er in den Erbrei¬
chen anlangte, wo er ſtille lag, um da die Bemer¬
kung zu machen, daß ganz natuͤrlicher Weiſe der erſte
große Diktator ſeinen Sohn auf ſeinem Thron nach

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0295" n="285"/>
»trauet. Aber nichts vertra&#x0364;gt &#x017F;ich weniger mit dem<lb/>
»a&#x0364;chten Nepotismus als daß &#x017F;elber der Straus bru&#x0364;¬<lb/>
»tet zu Nachts und in ka&#x0364;ltern Orten per&#x017F;o&#x0364;nlich,<lb/>
»und unterla&#x0364;&#x017F;&#x017F;et es nur dann, wo die Sonne be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
»bru&#x0364;tet: &#x017F;o &#x017F;orgt auch der Mann von Einfluß nur<lb/>
»in &#x017F;olchen Fa&#x0364;llen fu&#x0364;r &#x017F;eine Vettern, wenn großer<lb/>
»Mangel von Verdien&#x017F;ten es erfordert. Ich ge&#x017F;teh'<lb/>
»es, die Moral kann &#x017F;o wenig Nepotismus wie<lb/>
»Freund&#x017F;chaften gebieten; aber das Verdien&#x017F;t i&#x017F;t<lb/>
»de&#x017F;to gro&#x0364;ßer, wenn man ohne alle morali&#x017F;che Ver¬<lb/>
»bindlichkeit mit &#x017F;einem Stammbaum gleich&#x017F;am die<lb/>
»halben Thron&#x017F;tufen u&#x0364;berdeckt.« &#x2014; Die&#x017F;er &#x017F;atiri&#x017F;che<lb/>
Hu&#x0364;ttenrauch und Schwaden nahm die Britten fu&#x0364;r<lb/>
ihn ein, zumal da der Rauch edle Metalle, na&#x0364;mlich<lb/>
die ho&#x0364;ch&#x017F;te Unpartheilichkeit bei einem Sohne vor¬<lb/>
aus&#x017F;etzte, de&#x017F;&#x017F;en Vater Mini&#x017F;ter war.</p><lb/>
          <p>Da der Apotheker das Souper tranchirte &#x2014;<lb/>
Maz hatt' ihn er&#x017F;ucht, <hi rendition="#aq">le grand escuyer tranchant</hi><lb/>
zu &#x017F;eyn &#x2014; &#x017F;o paßte &#x017F;ein Freund Matthieu es ab,<lb/>
bis er einen großen Truthan an der Gabel hatte,<lb/>
um ihn in der Luft wie Reiger die Fi&#x017F;che und noch<lb/>
dazu italieni&#x017F;ch zu zerfa&#x0364;llen: dann nahm der Edle<lb/>
&#x017F;einen Weg u&#x0364;ber den Partage-Truthahn und u&#x0364;ber<lb/>
Pohlen durch die Wahlreihe bis er in den Erbrei¬<lb/>
chen anlangte, wo er &#x017F;tille lag, um da die Bemer¬<lb/>
kung zu machen, daß ganz natu&#x0364;rlicher Wei&#x017F;e der er&#x017F;te<lb/>
große Diktator &#x017F;einen Sohn auf &#x017F;einem Thron nach<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[285/0295] »trauet. Aber nichts vertraͤgt ſich weniger mit dem »aͤchten Nepotismus als daß ſelber der Straus bruͤ¬ »tet zu Nachts und in kaͤltern Orten perſoͤnlich, »und unterlaͤſſet es nur dann, wo die Sonne beſſer »bruͤtet: ſo ſorgt auch der Mann von Einfluß nur »in ſolchen Faͤllen fuͤr ſeine Vettern, wenn großer »Mangel von Verdienſten es erfordert. Ich geſteh' »es, die Moral kann ſo wenig Nepotismus wie »Freundſchaften gebieten; aber das Verdienſt iſt »deſto groͤßer, wenn man ohne alle moraliſche Ver¬ »bindlichkeit mit ſeinem Stammbaum gleichſam die »halben Thronſtufen uͤberdeckt.« — Dieſer ſatiriſche Huͤttenrauch und Schwaden nahm die Britten fuͤr ihn ein, zumal da der Rauch edle Metalle, naͤmlich die hoͤchſte Unpartheilichkeit bei einem Sohne vor¬ ausſetzte, deſſen Vater Miniſter war. Da der Apotheker das Souper tranchirte — Maz hatt' ihn erſucht, le grand escuyer tranchant zu ſeyn — ſo paßte ſein Freund Matthieu es ab, bis er einen großen Truthan an der Gabel hatte, um ihn in der Luft wie Reiger die Fiſche und noch dazu italieniſch zu zerfaͤllen: dann nahm der Edle ſeinen Weg uͤber den Partage-Truthahn und uͤber Pohlen durch die Wahlreihe bis er in den Erbrei¬ chen anlangte, wo er ſtille lag, um da die Bemer¬ kung zu machen, daß ganz natuͤrlicher Weiſe der erſte große Diktator ſeinen Sohn auf ſeinem Thron nach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/295
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/295>, abgerufen am 21.11.2024.