"trauet. Aber nichts verträgt sich weniger mit dem "ächten Nepotismus als daß selber der Straus brü¬ "tet zu Nachts und in kältern Orten persönlich, "und unterlässet es nur dann, wo die Sonne besser "brütet: so sorgt auch der Mann von Einfluß nur "in solchen Fällen für seine Vettern, wenn großer "Mangel von Verdiensten es erfordert. Ich gesteh' "es, die Moral kann so wenig Nepotismus wie "Freundschaften gebieten; aber das Verdienst ist "desto größer, wenn man ohne alle moralische Ver¬ "bindlichkeit mit seinem Stammbaum gleichsam die "halben Thronstufen überdeckt." -- Dieser satirische Hüttenrauch und Schwaden nahm die Britten für ihn ein, zumal da der Rauch edle Metalle, nämlich die höchste Unpartheilichkeit bei einem Sohne vor¬ aussetzte, dessen Vater Minister war.
Da der Apotheker das Souper tranchirte -- Maz hatt' ihn ersucht, le grand escuyer tranchant zu seyn -- so paßte sein Freund Matthieu es ab, bis er einen großen Truthan an der Gabel hatte, um ihn in der Luft wie Reiger die Fische und noch dazu italienisch zu zerfällen: dann nahm der Edle seinen Weg über den Partage-Truthahn und über Pohlen durch die Wahlreihe bis er in den Erbrei¬ chen anlangte, wo er stille lag, um da die Bemer¬ kung zu machen, daß ganz natürlicher Weise der erste große Diktator seinen Sohn auf seinem Thron nach
»trauet. Aber nichts vertraͤgt ſich weniger mit dem »aͤchten Nepotismus als daß ſelber der Straus bruͤ¬ »tet zu Nachts und in kaͤltern Orten perſoͤnlich, »und unterlaͤſſet es nur dann, wo die Sonne beſſer »bruͤtet: ſo ſorgt auch der Mann von Einfluß nur »in ſolchen Faͤllen fuͤr ſeine Vettern, wenn großer »Mangel von Verdienſten es erfordert. Ich geſteh' »es, die Moral kann ſo wenig Nepotismus wie »Freundſchaften gebieten; aber das Verdienſt iſt »deſto groͤßer, wenn man ohne alle moraliſche Ver¬ »bindlichkeit mit ſeinem Stammbaum gleichſam die »halben Thronſtufen uͤberdeckt.« — Dieſer ſatiriſche Huͤttenrauch und Schwaden nahm die Britten fuͤr ihn ein, zumal da der Rauch edle Metalle, naͤmlich die hoͤchſte Unpartheilichkeit bei einem Sohne vor¬ ausſetzte, deſſen Vater Miniſter war.
Da der Apotheker das Souper tranchirte — Maz hatt' ihn erſucht, le grand escuyer tranchant zu ſeyn — ſo paßte ſein Freund Matthieu es ab, bis er einen großen Truthan an der Gabel hatte, um ihn in der Luft wie Reiger die Fiſche und noch dazu italieniſch zu zerfaͤllen: dann nahm der Edle ſeinen Weg uͤber den Partage-Truthahn und uͤber Pohlen durch die Wahlreihe bis er in den Erbrei¬ chen anlangte, wo er ſtille lag, um da die Bemer¬ kung zu machen, daß ganz natuͤrlicher Weiſe der erſte große Diktator ſeinen Sohn auf ſeinem Thron nach
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»trauet. Aber nichts vertraͤgt ſich weniger mit dem
»aͤchten Nepotismus als daß ſelber der Straus bruͤ¬
»tet zu Nachts und in kaͤltern Orten perſoͤnlich,
»und unterlaͤſſet es nur dann, wo die Sonne beſſer
»bruͤtet: ſo ſorgt auch der Mann von Einfluß nur
»in ſolchen Faͤllen fuͤr ſeine Vettern, wenn großer
»Mangel von Verdienſten es erfordert. Ich geſteh'
»es, die Moral kann ſo wenig Nepotismus wie
»Freundſchaften gebieten; aber das Verdienſt iſt
»deſto groͤßer, wenn man ohne alle moraliſche Ver¬
»bindlichkeit mit ſeinem Stammbaum gleichſam die
»halben Thronſtufen uͤberdeckt.« — Dieſer ſatiriſche
Huͤttenrauch und Schwaden nahm die Britten fuͤr
ihn ein, zumal da der Rauch edle Metalle, naͤmlich
die hoͤchſte Unpartheilichkeit bei einem Sohne vor¬
ausſetzte, deſſen Vater Miniſter war.
Da der Apotheker das Souper tranchirte —
Maz hatt' ihn erſucht, le grand escuyer tranchant
zu ſeyn — ſo paßte ſein Freund Matthieu es ab,
bis er einen großen Truthan an der Gabel hatte,
um ihn in der Luft wie Reiger die Fiſche und noch
dazu italieniſch zu zerfaͤllen: dann nahm der Edle
ſeinen Weg uͤber den Partage-Truthahn und uͤber
Pohlen durch die Wahlreihe bis er in den Erbrei¬
chen anlangte, wo er ſtille lag, um da die Bemer¬
kung zu machen, daß ganz natuͤrlicher Weiſe der erſte
große Diktator ſeinen Sohn auf ſeinem Thron nach
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/295>, abgerufen am 21.11.2024.
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