Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

"thierische Ergsteburt, weil sie nicht mehr opfern
"dürfen, das beste Futter und ist heilig und unver¬
"letzlich -- das übrige Vieh gehört unter die jün¬
"gern Söhne
.'" . . .

-- Darauf sagte er plötzlich und lächelnd das
Kompliment: "bloß mein Freund hier mit dem
"Truthahn macht die glücklichste Ausnahme von
"meiner Behauptung und sein Herr Bruder mit
"dem Stabe da die betrübteste: es sind aber Zwil¬
"linge und er ist nur eine Viertelstunde älter als der
"Taube." Er wandte unbefangen an den Gestab¬
ten, der sein Gesicht schon zum Krieg mobil gemacht
hatte: "nicht wahr, eine Viertelstunde älter?" --
"Ja, straf mich Gott, (sagt' er,) das bin ich: was
"sagt mein Bruder?" -- Der Apotheker mußte matt
den Dividendus an der Gabel senken, ob er gleich
durch die herabgeschnittenen Quozienten schon leich¬
ter war. Der Balgtreter überschauete flüchtig alle
Gesichter und entdeckte überall darauf einen schwei¬
genden Unglauben, den der Junker durch seine kalte
Versicherungen noch lesbarer machte. "Der ganze
"Scherz -- sagte Zeusel leise -- ist wohl für nie¬
"mand interessant." Da der Kalkant die leise Ex¬
zeptionshandlung nicht durch seinen langen Gehör¬
knochen habhaft werden konnte -- er sah aber dann
nicht ab, wie er seinen Prozeß und sein Erstgeburts¬
recht behaupten wollte -- so trat er seinen Beweis

»thieriſche Ergſteburt, weil ſie nicht mehr opfern
»duͤrfen, das beſte Futter und iſt heilig und unver¬
»letzlich — das uͤbrige Vieh gehoͤrt unter die juͤn¬
»gern Soͤhne
.'« . . .

— Darauf ſagte er ploͤtzlich und laͤchelnd das
Kompliment: »bloß mein Freund hier mit dem
»Truthahn macht die gluͤcklichſte Ausnahme von
»meiner Behauptung und ſein Herr Bruder mit
»dem Stabe da die betruͤbteſte: es ſind aber Zwil¬
»linge und er iſt nur eine Viertelſtunde aͤlter als der
»Taube.« Er wandte unbefangen an den Geſtab¬
ten, der ſein Geſicht ſchon zum Krieg mobil gemacht
hatte: »nicht wahr, eine Viertelſtunde aͤlter?« —
»Ja, ſtraf mich Gott, (ſagt' er,) das bin ich: was
»ſagt mein Bruder?« — Der Apotheker mußte matt
den Dividendus an der Gabel ſenken, ob er gleich
durch die herabgeſchnittenen Quozienten ſchon leich¬
ter war. Der Balgtreter uͤberſchauete fluͤchtig alle
Geſichter und entdeckte uͤberall darauf einen ſchwei¬
genden Unglauben, den der Junker durch ſeine kalte
Verſicherungen noch lesbarer machte. »Der ganze
»Scherz — ſagte Zeuſel leiſe — iſt wohl fuͤr nie¬
»mand intereſſant.« Da der Kalkant die leiſe Ex¬
zeptionshandlung nicht durch ſeinen langen Gehoͤr¬
knochen habhaft werden konnte — er ſah aber dann
nicht ab, wie er ſeinen Prozeß und ſein Erſtgeburts¬
recht behaupten wollte — ſo trat er ſeinen Beweis

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0297" n="287"/>
»thieri&#x017F;che Erg&#x017F;teburt, weil &#x017F;ie nicht mehr opfern<lb/>
»du&#x0364;rfen, das be&#x017F;te Futter und i&#x017F;t heilig und unver¬<lb/>
»letzlich &#x2014; das u&#x0364;brige Vieh geho&#x0364;rt unter die <hi rendition="#g">ju&#x0364;<lb/>
»gern So&#x0364;hne</hi>.'« . . .</p><lb/>
          <p>&#x2014; Darauf &#x017F;agte er plo&#x0364;tzlich und la&#x0364;chelnd das<lb/>
Kompliment: »bloß mein Freund hier mit dem<lb/>
»Truthahn macht die glu&#x0364;cklich&#x017F;te Ausnahme von<lb/>
»meiner Behauptung und &#x017F;ein Herr Bruder mit<lb/>
»dem Stabe da die betru&#x0364;bte&#x017F;te: es &#x017F;ind aber Zwil¬<lb/>
»linge und er i&#x017F;t nur eine Viertel&#x017F;tunde a&#x0364;lter als der<lb/>
»Taube.« Er wandte unbefangen an den Ge&#x017F;tab¬<lb/>
ten, der &#x017F;ein Ge&#x017F;icht &#x017F;chon zum Krieg mobil gemacht<lb/>
hatte: »nicht wahr, eine Viertel&#x017F;tunde a&#x0364;lter?« &#x2014;<lb/>
»Ja, &#x017F;traf mich Gott, (&#x017F;agt' er,) das bin ich: was<lb/>
»&#x017F;agt mein Bruder?« &#x2014; Der Apotheker mußte matt<lb/>
den Dividendus an der Gabel &#x017F;enken, ob er gleich<lb/>
durch die herabge&#x017F;chnittenen Quozienten &#x017F;chon leich¬<lb/>
ter war. Der Balgtreter u&#x0364;ber&#x017F;chauete flu&#x0364;chtig alle<lb/>
Ge&#x017F;ichter und entdeckte u&#x0364;berall darauf einen &#x017F;chwei¬<lb/>
genden Unglauben, den der Junker durch &#x017F;eine kalte<lb/>
Ver&#x017F;icherungen noch lesbarer machte. »Der ganze<lb/>
»Scherz &#x2014; &#x017F;agte Zeu&#x017F;el lei&#x017F;e &#x2014; i&#x017F;t wohl fu&#x0364;r nie¬<lb/>
»mand intere&#x017F;&#x017F;ant.« Da der Kalkant die lei&#x017F;e Ex¬<lb/>
zeptionshandlung nicht durch &#x017F;einen langen Geho&#x0364;<lb/>
knochen habhaft werden konnte &#x2014; er &#x017F;ah aber dann<lb/>
nicht ab, wie er &#x017F;einen Prozeß und &#x017F;ein Er&#x017F;tgeburts¬<lb/>
recht behaupten wollte &#x2014; &#x017F;o trat er &#x017F;einen Beweis<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[287/0297] »thieriſche Ergſteburt, weil ſie nicht mehr opfern »duͤrfen, das beſte Futter und iſt heilig und unver¬ »letzlich — das uͤbrige Vieh gehoͤrt unter die juͤn¬ »gern Soͤhne.'« . . . — Darauf ſagte er ploͤtzlich und laͤchelnd das Kompliment: »bloß mein Freund hier mit dem »Truthahn macht die gluͤcklichſte Ausnahme von »meiner Behauptung und ſein Herr Bruder mit »dem Stabe da die betruͤbteſte: es ſind aber Zwil¬ »linge und er iſt nur eine Viertelſtunde aͤlter als der »Taube.« Er wandte unbefangen an den Geſtab¬ ten, der ſein Geſicht ſchon zum Krieg mobil gemacht hatte: »nicht wahr, eine Viertelſtunde aͤlter?« — »Ja, ſtraf mich Gott, (ſagt' er,) das bin ich: was »ſagt mein Bruder?« — Der Apotheker mußte matt den Dividendus an der Gabel ſenken, ob er gleich durch die herabgeſchnittenen Quozienten ſchon leich¬ ter war. Der Balgtreter uͤberſchauete fluͤchtig alle Geſichter und entdeckte uͤberall darauf einen ſchwei¬ genden Unglauben, den der Junker durch ſeine kalte Verſicherungen noch lesbarer machte. »Der ganze »Scherz — ſagte Zeuſel leiſe — iſt wohl fuͤr nie¬ »mand intereſſant.« Da der Kalkant die leiſe Ex¬ zeptionshandlung nicht durch ſeinen langen Gehoͤr¬ knochen habhaft werden konnte — er ſah aber dann nicht ab, wie er ſeinen Prozeß und ſein Erſtgeburts¬ recht behaupten wollte — ſo trat er ſeinen Beweis

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/297
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/297>, abgerufen am 21.11.2024.