Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

"zu weich zur Freude -- zu unbesonnen -- zu heiß
"-- fast zu phantastisch. Er wollte gar lieben (bei
"seinen Lebzeiten) und es war nicht zu thun. Die
"Blumengöttin der Liebe ging vor ihm vorbei, sie
"versagte ihm die Verklärung des Menschen, das
"Melodrama des Herzens, das goldne Zeitalter der
"Liebe. . . . Kalte Gestalt, richte dich auf und zeige
"den Menschen die Thränen, die aus einem weichen
"Herzen fließen, das vor Liebe bricht und keine
"findet! . . .

"Wenn unser Horion nicht glücklich war: so
"mag es ihm freilich gar wohl thun, wenn er schon
"am Mittage des Lebens seine Mittagsruhe halten
"darf, wenn er sterben, und losgemacht vom hei߬
"pochenden Herzen, gestillt vom Todesengel, sich so
"frühe legen darf unter das lange Leichentuch, das
"der Menschen-Genius über ganze Völker wie der
"Gärtner das Verdeck über den Blumenflor, gegen
"Regen und Sonne zieht -- gegen die Gluth unsrer
"Freuden, gegen den Guß unsers Wehs . . . Ruhe
"du auch, Horion!" . . .

-- Seine Wehmuth bei diesen Worten aus
dem alten Traume war so übermannend, daß er
aus ihr -- zur Entschuldigung oder zur Erholung
-- in eine fast wahnsinnige Laune übertrat.

"Inzwischen ist der sämmtliche Spas halb gegen
"meinen Geschmack, den ich am Hofe ausbilden

Hesperus. II Th. Z

»zu weich zur Freude — zu unbeſonnen — zu heiß
»— faſt zu phantaſtiſch. Er wollte gar lieben (bei
»ſeinen Lebzeiten) und es war nicht zu thun. Die
»Blumengoͤttin der Liebe ging vor ihm vorbei‚ ſie
»verſagte ihm die Verklaͤrung des Menſchen‚ das
»Melodrama des Herzens‚ das goldne Zeitalter der
»Liebe. . . . Kalte Geſtalt‚ richte dich auf und zeige
»den Menſchen die Thraͤnen‚ die aus einem weichen
»Herzen fließen‚ das vor Liebe bricht und keine
»findet! . . .

»Wenn unſer Horion nicht gluͤcklich war: ſo
»mag es ihm freilich gar wohl thun‚ wenn er ſchon
»am Mittage des Lebens ſeine Mittagsruhe halten
»darf‚ wenn er ſterben‚ und losgemacht vom hei߬
»pochenden Herzen‚ geſtillt vom Todesengel‚ ſich ſo
»fruͤhe legen darf unter das lange Leichentuch‚ das
»der Menſchen-Genius uͤber ganze Voͤlker wie der
»Gaͤrtner das Verdeck uͤber den Blumenflor, gegen
»Regen und Sonne zieht — gegen die Gluth unſrer
»Freuden‚ gegen den Guß unſers Wehs . . . Ruhe
»du auch‚ Horion!« . . .

— Seine Wehmuth bei dieſen Worten aus
dem alten Traume war ſo uͤbermannend‚ daß er
aus ihr — zur Entſchuldigung oder zur Erholung
— in eine faſt wahnſinnige Laune uͤbertrat.

»Inzwiſchen iſt der ſaͤmmtliche Spas halb gegen
»meinen Geſchmack‚ den ich am Hofe ausbilden

Heſperus. II Th. Z
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0363" n="353"/>
»zu weich zur Freude &#x2014; zu unbe&#x017F;onnen &#x2014; zu heiß<lb/>
»&#x2014; fa&#x017F;t zu phanta&#x017F;ti&#x017F;ch. Er wollte gar lieben (bei<lb/>
»&#x017F;einen Lebzeiten) und es war nicht zu thun. Die<lb/>
»Blumengo&#x0364;ttin der <hi rendition="#g">Liebe</hi> ging vor ihm vorbei&#x201A; &#x017F;ie<lb/>
»ver&#x017F;agte ihm die Verkla&#x0364;rung des Men&#x017F;chen&#x201A; das<lb/>
»Melodrama des Herzens&#x201A; das goldne Zeitalter der<lb/>
»Liebe. . . . Kalte Ge&#x017F;talt&#x201A; richte dich auf und zeige<lb/>
»den Men&#x017F;chen die Thra&#x0364;nen&#x201A; die aus einem weichen<lb/>
»Herzen fließen&#x201A; das vor Liebe bricht und keine<lb/>
»findet! . . .</p><lb/>
            <p>»Wenn un&#x017F;er Horion nicht glu&#x0364;cklich war: &#x017F;o<lb/>
»mag es ihm freilich gar wohl thun&#x201A; wenn er &#x017F;chon<lb/>
»am Mittage des Lebens &#x017F;eine Mittagsruhe halten<lb/>
»darf&#x201A; wenn er &#x017F;terben&#x201A; und losgemacht vom hei߬<lb/>
»pochenden Herzen&#x201A; ge&#x017F;tillt vom Todesengel&#x201A; &#x017F;ich &#x017F;o<lb/>
»fru&#x0364;he legen darf unter das lange Leichentuch&#x201A; das<lb/>
»der Men&#x017F;chen-Genius u&#x0364;ber ganze Vo&#x0364;lker wie der<lb/>
»Ga&#x0364;rtner das Verdeck u&#x0364;ber den Blumenflor, gegen<lb/>
»Regen und Sonne zieht &#x2014; gegen die Gluth un&#x017F;rer<lb/>
»Freuden&#x201A; gegen den Guß un&#x017F;ers Wehs . . . <hi rendition="#g">Ruhe</hi><lb/>
»<hi rendition="#g">du auch&#x201A; Horion</hi>!« . . .</p><lb/>
            <p>&#x2014; Seine Wehmuth bei die&#x017F;en Worten aus<lb/>
dem alten Traume war &#x017F;o <choice><sic>u&#x0364;bermannnend</sic><corr>u&#x0364;bermannend</corr></choice>&#x201A; daß er<lb/>
aus ihr &#x2014; zur Ent&#x017F;chuldigung oder zur Erholung<lb/>
&#x2014; in eine fa&#x017F;t wahn&#x017F;innige Laune u&#x0364;bertrat.</p><lb/>
            <p>»Inzwi&#x017F;chen i&#x017F;t der &#x017F;a&#x0364;mmtliche Spas halb gegen<lb/>
»meinen Ge&#x017F;chmack&#x201A; den ich am Hofe ausbilden<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">He&#x017F;perus. <hi rendition="#aq">II</hi> Th. Z<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[353/0363] »zu weich zur Freude — zu unbeſonnen — zu heiß »— faſt zu phantaſtiſch. Er wollte gar lieben (bei »ſeinen Lebzeiten) und es war nicht zu thun. Die »Blumengoͤttin der Liebe ging vor ihm vorbei‚ ſie »verſagte ihm die Verklaͤrung des Menſchen‚ das »Melodrama des Herzens‚ das goldne Zeitalter der »Liebe. . . . Kalte Geſtalt‚ richte dich auf und zeige »den Menſchen die Thraͤnen‚ die aus einem weichen »Herzen fließen‚ das vor Liebe bricht und keine »findet! . . . »Wenn unſer Horion nicht gluͤcklich war: ſo »mag es ihm freilich gar wohl thun‚ wenn er ſchon »am Mittage des Lebens ſeine Mittagsruhe halten »darf‚ wenn er ſterben‚ und losgemacht vom hei߬ »pochenden Herzen‚ geſtillt vom Todesengel‚ ſich ſo »fruͤhe legen darf unter das lange Leichentuch‚ das »der Menſchen-Genius uͤber ganze Voͤlker wie der »Gaͤrtner das Verdeck uͤber den Blumenflor, gegen »Regen und Sonne zieht — gegen die Gluth unſrer »Freuden‚ gegen den Guß unſers Wehs . . . Ruhe »du auch‚ Horion!« . . . — Seine Wehmuth bei dieſen Worten aus dem alten Traume war ſo uͤbermannend‚ daß er aus ihr — zur Entſchuldigung oder zur Erholung — in eine faſt wahnſinnige Laune uͤbertrat. »Inzwiſchen iſt der ſaͤmmtliche Spas halb gegen »meinen Geſchmack‚ den ich am Hofe ausbilden Heſperus. II Th. Z

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/363
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/363>, abgerufen am 26.11.2024.