"wollte. Das Leben verlohnet's gar nicht, daß man "seinetwegen den guten Tod auszankt oder beräuchert "und erhebt -- Die Furcht zu sterben ausgenommen "giebt's nichts jämmerlicheres als die Furcht zu le¬ "ben. -- Leute von wahren Talenten sollten sich be¬ "trinken, um das Leben aus dem rechten Licht zu "sehen und es uns nachher zu melden -- Am aller¬ "elendesten aber (so daß das menschliche Leben "dagegen noch passabel ausfällt) ist das bürgerli¬ "che, auf das ich Jahre lang loßziehen köunte, bloß "weil's nichts hat als lange Tröge für den Magen, "aus denen die Ketten für die Phantasie herabhän¬ "gen -- weil's den Menschen zum Kleinstädter um¬ "setzt -- weil's unser fliehendes Daseyn aus einem "Fruchtacker zur Säemaschine macht -- weil's einen "fatalen Dunst ausdampft der sich dick vor das "Grab und über den Himmel ansetzt und in dem "sich der arme Expeditionsrath von Mensch schwiz¬ "zend, käuend, feist, beschmieret, ohne einen warmen "Sonnenstrahl für sein Herz, ohne ein Streiflicht "für sein Auge herumtreibt bis ihn der Fall-Bock "des Pflasterers *) auf den morastigen Drehplatz ein¬ "rammt. -- Den einzigen Nutzen hat so ein armer "Marmorstein, aus dem ein Pflaster statt einer
*) Er nennt den Tod und den Staat einen Pflasterer obwohl in verschiedenem Sinn.
»wollte. Das Leben verlohnet's gar nicht, daß man »ſeinetwegen den guten Tod auszankt oder beraͤuchert »und erhebt — Die Furcht zu ſterben ausgenommen »giebt's nichts jaͤmmerlicheres als die Furcht zu le¬ »ben. — Leute von wahren Talenten ſollten ſich be¬ »trinken, um das Leben aus dem rechten Licht zu »ſehen und es uns nachher zu melden — Am aller¬ »elendeſten aber (ſo daß das menſchliche Leben »dagegen noch paſſabel ausfaͤllt) iſt das buͤrgerli¬ »che, auf das ich Jahre lang loßziehen koͤunte, bloß »weil's nichts hat als lange Troͤge fuͤr den Magen, »aus denen die Ketten fuͤr die Phantaſie herabhaͤn¬ »gen — weil's den Menſchen zum Kleinſtaͤdter um¬ »ſetzt — weil's unſer fliehendes Daſeyn aus einem »Fruchtacker zur Saͤemaſchine macht — weil's einen »fatalen Dunſt ausdampft der ſich dick vor das »Grab und uͤber den Himmel anſetzt und in dem »ſich der arme Expeditionsrath von Menſch ſchwiz¬ »zend, kaͤuend, feiſt, beſchmieret, ohne einen warmen »Sonnenſtrahl fuͤr ſein Herz, ohne ein Streiflicht »fuͤr ſein Auge herumtreibt bis ihn der Fall-Bock »des Pflaſterers *) auf den moraſtigen Drehplatz ein¬ »rammt. — Den einzigen Nutzen hat ſo ein armer »Marmorſtein, aus dem ein Pflaſter ſtatt einer
*) Er nennt den Tod und den Staat einen Pflaſterer obwohl in verſchiedenem Sinn.
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»ben. — Leute von wahren Talenten ſollten ſich be¬
»trinken, um das Leben aus dem rechten Licht zu
»ſehen und es uns nachher zu melden — Am aller¬
»elendeſten aber (ſo daß das menſchliche Leben
»dagegen noch paſſabel ausfaͤllt) iſt das buͤrgerli¬
»che, auf das ich Jahre lang loßziehen koͤunte, bloß
»weil's nichts hat als lange Troͤge fuͤr den Magen,
»aus denen die Ketten fuͤr die Phantaſie herabhaͤn¬
»gen — weil's den Menſchen zum Kleinſtaͤdter um¬
»ſetzt — weil's unſer fliehendes Daſeyn aus einem
»Fruchtacker zur Saͤemaſchine macht — weil's einen
»fatalen Dunſt ausdampft der ſich dick vor das
»Grab und uͤber den Himmel anſetzt und in dem
»ſich der arme Expeditionsrath von Menſch ſchwiz¬
»zend, kaͤuend, feiſt, beſchmieret, ohne einen warmen
»Sonnenſtrahl fuͤr ſein Herz, ohne ein Streiflicht
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»des Pflaſterers *) auf den moraſtigen Drehplatz ein¬
»rammt. — Den einzigen Nutzen hat ſo ein armer
»Marmorſtein, aus dem ein Pflaſter ſtatt einer
*) Er nennt den Tod und den Staat einen Pflaſterer obwohl
in verſchiedenem Sinn.
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/364>, abgerufen am 26.11.2024.
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