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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

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Freundschafts-Zoll auf eine Minute bei Emanuels
Hause umfuhr: so war ihm, als wenn sein unschul¬
diges menschenliebendes Herz sich in den stillen Gas¬
sen mit den Vögeln auf den die Fensterscheiben ver¬
gitternden Kirschenzweigen wiegte und mit den Bienen
in den Kirschenblüten schwankte. "Komm nur her¬
ein, (schien alles zu sagen) du guter Mensch, wir
sind alle glücklich und du sollst es auch werden." --
Er trat an die blanke Kirche, deren blendende Ue¬
bertünchung dem Himmelsblau durch den Kontrast
ein erhabenes Dunkel zuwarf, und sein pochendes
Herz zitterte glücklich mit der wogenden Orgel darin
und mit der vor dem Kirchthore raschelnden einge¬
ramten Birke und mit dem trocknen vom Morgen¬
wind gebognen Maienbaum mitten im Dorfe ...

"Aber, sagt mein Leser, konnte denn sein Auge
so lange die schönern Prospekte und sein Herz die
geliebtere Schönheit entrathen und statt der Abtei
nur die Kirche aufsuchen?" -- O er sah zu allererst
nach jener und sein bebendes Auge lief um alle Fen¬
ster seines Sonnentempels; aber da er daran alle
Fenster offen und leer, und alle Gardinen aufgezogen
antraf: so vermuthete er, daß die schönen Konklavi¬
stinnen desselben und darunter die Konklavistin
seiner Brust da wären, wo er sie suchte -- -- --

Freundſchafts-Zoll auf eine Minute bei Emanuels
Hauſe umfuhr: ſo war ihm, als wenn ſein unſchul¬
diges menſchenliebendes Herz ſich in den ſtillen Gaſ¬
ſen mit den Voͤgeln auf den die Fenſterſcheiben ver¬
gitternden Kirſchenzweigen wiegte und mit den Bienen
in den Kirſchenbluͤten ſchwankte. »Komm nur her¬
ein, (ſchien alles zu ſagen) du guter Menſch, wir
ſind alle gluͤcklich und du ſollſt es auch werden.» —
Er trat an die blanke Kirche, deren blendende Ue¬
bertuͤnchung dem Himmelsblau durch den Kontraſt
ein erhabenes Dunkel zuwarf, und ſein pochendes
Herz zitterte gluͤcklich mit der wogenden Orgel darin
und mit der vor dem Kirchthore raſchelnden einge¬
ramten Birke und mit dem trocknen vom Morgen¬
wind gebognen Maienbaum mitten im Dorfe ...

»Aber, ſagt mein Leſer, konnte denn ſein Auge
ſo lange die ſchoͤnern Proſpekte und ſein Herz die
geliebtere Schoͤnheit entrathen und ſtatt der Abtei
nur die Kirche aufſuchen?» — O er ſah zu allererſt
nach jener und ſein bebendes Auge lief um alle Fen¬
ſter ſeines Sonnentempels; aber da er daran alle
Fenſter offen und leer, und alle Gardinen aufgezogen
antraf: ſo vermuthete er, daß die ſchoͤnen Konklavi¬
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[124/0134] Freundſchafts-Zoll auf eine Minute bei Emanuels Hauſe umfuhr: ſo war ihm, als wenn ſein unſchul¬ diges menſchenliebendes Herz ſich in den ſtillen Gaſ¬ ſen mit den Voͤgeln auf den die Fenſterſcheiben ver¬ gitternden Kirſchenzweigen wiegte und mit den Bienen in den Kirſchenbluͤten ſchwankte. »Komm nur her¬ ein, (ſchien alles zu ſagen) du guter Menſch, wir ſind alle gluͤcklich und du ſollſt es auch werden.» — Er trat an die blanke Kirche, deren blendende Ue¬ bertuͤnchung dem Himmelsblau durch den Kontraſt ein erhabenes Dunkel zuwarf, und ſein pochendes Herz zitterte gluͤcklich mit der wogenden Orgel darin und mit der vor dem Kirchthore raſchelnden einge¬ ramten Birke und mit dem trocknen vom Morgen¬ wind gebognen Maienbaum mitten im Dorfe ... »Aber, ſagt mein Leſer, konnte denn ſein Auge ſo lange die ſchoͤnern Proſpekte und ſein Herz die geliebtere Schoͤnheit entrathen und ſtatt der Abtei nur die Kirche aufſuchen?» — O er ſah zu allererſt nach jener und ſein bebendes Auge lief um alle Fen¬ ſter ſeines Sonnentempels; aber da er daran alle Fenſter offen und leer, und alle Gardinen aufgezogen antraf: ſo vermuthete er, daß die ſchoͤnen Konklavi¬ ſtinnen deſſelben und darunter die Konklaviſtin ſeiner Bruſt da waͤren, wo er ſie ſuchte — — —

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/134>, abgerufen am 23.11.2024.