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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

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Nachmittag mit seinem Gaste bei der Aebtissin zu
verbringen; auch trug er ihm eine kleine Kollabora¬
torstelle bei seinen Blumen an, nämlich die Rosma¬
rinblüten auszupflücken und über das Nelkenposta¬
ment den Sonnenschirm zu spannen. Bei Emanuel
hingen auch in der prosaischen Ruhe des Tages, im¬
mer die Flügel noch weit unter den Halbflügeldecken
hervor. Viktor hielt die Bitten seines Lehrers für
Geschenke. Da er draussen am Rosmarin abblatte¬
te: so öfnete die aufgehende Sonne das Ventile des
Windes und dann fingen, von ihm angeweht, alle
Register der großen Wesen-Orgel zu gehen an und
vor seinem Ohre wogte der Tremulant der Bäche,
schrie das Flötenwerk der Vögel und braußte das
32füßige Pedalregister der Waldungen. Ein einge¬
pfarrter kleiner Kopf um den andern, der seine zwölf
Jahre samt eben soviel Herkules Arbeiten des Ge¬
dächtnißes zum h. Abendmal trug, schlich hinter dem
Vater mit einem Kranz-Knauf und überhaupt mit
Goldflittern gestickt und aufgesteift vor ihm vorüber.
Welchen schönen zweiten Pfingsttag, der sonst voll
Regenwolken ist, habt ihr Kleinen jetzt! -- Viktor
gönnte recht gern der Grandetza des Dorfes, d. h.
den Vollspännern und dem Schulmeisters Sohn den
Haarformer und Zopfprediger Meuseler, der am
zweiten Pfingsttag die benachbarten Dörfer frisirte
und der mit seinem Puder-Weihwedel die letzte

Nachmittag mit ſeinem Gaſte bei der Aebtiſſin zu
verbringen; auch trug er ihm eine kleine Kollabora¬
torſtelle bei ſeinen Blumen an, naͤmlich die Rosma¬
rinbluͤten auszupfluͤcken und uͤber das Nelkenpoſta¬
ment den Sonnenſchirm zu ſpannen. Bei Emanuel
hingen auch in der proſaiſchen Ruhe des Tages, im¬
mer die Fluͤgel noch weit unter den Halbfluͤgeldecken
hervor. Viktor hielt die Bitten ſeines Lehrers fuͤr
Geſchenke. Da er drauſſen am Rosmarin abblatte¬
te: ſo oͤfnete die aufgehende Sonne das Ventile des
Windes und dann fingen, von ihm angeweht, alle
Regiſter der großen Weſen-Orgel zu gehen an und
vor ſeinem Ohre wogte der Tremulant der Baͤche,
ſchrie das Floͤtenwerk der Voͤgel und braußte das
32fuͤßige Pedalregiſter der Waldungen. Ein einge¬
pfarrter kleiner Kopf um den andern, der ſeine zwoͤlf
Jahre ſamt eben ſoviel Herkules Arbeiten des Ge¬
daͤchtnißes zum h. Abendmal trug, ſchlich hinter dem
Vater mit einem Kranz-Knauf und uͤberhaupt mit
Goldflittern geſtickt und aufgeſteift vor ihm voruͤber.
Welchen ſchoͤnen zweiten Pfingſttag, der ſonſt voll
Regenwolken iſt, habt ihr Kleinen jetzt! — Viktor
goͤnnte recht gern der Grandetza des Dorfes, d. h.
den Vollſpaͤnnern und dem Schulmeiſters Sohn den
Haarformer und Zopfprediger Meuſeler, der am
zweiten Pfingſttag die benachbarten Doͤrfer friſirte
und der mit ſeinem Puder-Weihwedel die letzte

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[148/0158] Nachmittag mit ſeinem Gaſte bei der Aebtiſſin zu verbringen; auch trug er ihm eine kleine Kollabora¬ torſtelle bei ſeinen Blumen an, naͤmlich die Rosma¬ rinbluͤten auszupfluͤcken und uͤber das Nelkenpoſta¬ ment den Sonnenſchirm zu ſpannen. Bei Emanuel hingen auch in der proſaiſchen Ruhe des Tages, im¬ mer die Fluͤgel noch weit unter den Halbfluͤgeldecken hervor. Viktor hielt die Bitten ſeines Lehrers fuͤr Geſchenke. Da er drauſſen am Rosmarin abblatte¬ te: ſo oͤfnete die aufgehende Sonne das Ventile des Windes und dann fingen, von ihm angeweht, alle Regiſter der großen Weſen-Orgel zu gehen an und vor ſeinem Ohre wogte der Tremulant der Baͤche, ſchrie das Floͤtenwerk der Voͤgel und braußte das 32fuͤßige Pedalregiſter der Waldungen. Ein einge¬ pfarrter kleiner Kopf um den andern, der ſeine zwoͤlf Jahre ſamt eben ſoviel Herkules Arbeiten des Ge¬ daͤchtnißes zum h. Abendmal trug, ſchlich hinter dem Vater mit einem Kranz-Knauf und uͤberhaupt mit Goldflittern geſtickt und aufgeſteift vor ihm voruͤber. Welchen ſchoͤnen zweiten Pfingſttag, der ſonſt voll Regenwolken iſt, habt ihr Kleinen jetzt! — Viktor goͤnnte recht gern der Grandetza des Dorfes, d. h. den Vollſpaͤnnern und dem Schulmeiſters Sohn den Haarformer und Zopfprediger Meuſeler, der am zweiten Pfingſttag die benachbarten Doͤrfer friſirte und der mit ſeinem Puder-Weihwedel die letzte

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/158>, abgerufen am 27.11.2024.