Pfingst-Ausgießung auf die kleinen Köpfe betrieb, die der Pfarrer schon sechs Wochen eingefeuchtet hatte. Viktors Herz schlug vor Freude als wenn er ein Kind mit darunter hätte oder eines wäre, als die bunte gepuderte Wesenkette mit hüpfenden Flit¬ tern, mit hochstämmigen Blumensträußern, mit schwarz-gleissenden geistlichen Musenalmanachs, vor dem Kommando- und Hirtenstab ihrer zwei Konsuln, singend und besungen und eingeläutet und angebla¬ sen durchs Kirchen-Triumphthor einzog. -- Ach Kin¬ dern steht die Freude noch schöner wie uns, so wie ein unglückliches, ein bettelndes, dem das Schicksal das erste Kindergärtgen zertritt und vor dessen Au¬ gen beim ersten Aufschlagen ins Sein nichts hängt als schwarzes ungestaltes Morgengewölke, unser Herz betrübter macht als der Vater desselben. . . .
"Beeret jede Minute eures ersten Triumphtages "ab, ihr guten Kinder, und ich wollte, die Predigt "würde recht lang, damit ihr den schönen Anzug "länger anbehieltet!" sagte Viktor und sah sich nach dem Kloster um, dessen Fenster voll unkenntlicher Zuschauerinnen waren: er setzte sich vor, beim Re¬ marsche der Kinder-Prozession sich unter den Fen¬ stern das mit dem schönsten Inhalt auszusuchen durch ein Taschenperspektiv. -- Gehe nur, guter menschen¬ freundlicher Mensch, der die schönen Seelen liebt wie die schöne Natur und die kalten erträgt wie die
Pfingſt-Ausgießung auf die kleinen Koͤpfe betrieb, die der Pfarrer ſchon ſechs Wochen eingefeuchtet hatte. Viktors Herz ſchlug vor Freude als wenn er ein Kind mit darunter haͤtte oder eines waͤre, als die bunte gepuderte Weſenkette mit huͤpfenden Flit¬ tern, mit hochſtaͤmmigen Blumenſtraͤußern, mit ſchwarz-gleiſſenden geiſtlichen Muſenalmanachs, vor dem Kommando- und Hirtenſtab ihrer zwei Konſuln, ſingend und beſungen und eingelaͤutet und angebla¬ ſen durchs Kirchen-Triumphthor einzog. — Ach Kin¬ dern ſteht die Freude noch ſchoͤner wie uns, ſo wie ein ungluͤckliches, ein bettelndes, dem das Schickſal das erſte Kindergaͤrtgen zertritt und vor deſſen Au¬ gen beim erſten Aufſchlagen ins Sein nichts haͤngt als ſchwarzes ungeſtaltes Morgengewoͤlke, unſer Herz betruͤbter macht als der Vater deſſelben. . . .
»Beeret jede Minute eures erſten Triumphtages »ab, ihr guten Kinder, und ich wollte, die Predigt »wuͤrde recht lang, damit ihr den ſchoͤnen Anzug »laͤnger anbehieltet!» ſagte Viktor und ſah ſich nach dem Kloſter um, deſſen Fenſter voll unkenntlicher Zuſchauerinnen waren: er ſetzte ſich vor, beim Re¬ marſche der Kinder-Prozeſſion ſich unter den Fen¬ ſtern das mit dem ſchoͤnſten Inhalt auszuſuchen durch ein Taſchenperſpektiv. — Gehe nur, guter menſchen¬ freundlicher Menſch, der die ſchoͤnen Seelen liebt wie die ſchoͤne Natur und die kalten ertraͤgt wie die
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Pfingſt-Ausgießung auf die kleinen Koͤpfe betrieb,
die der Pfarrer ſchon ſechs Wochen eingefeuchtet
hatte. Viktors Herz ſchlug vor Freude als wenn
er ein Kind mit darunter haͤtte oder eines waͤre, als
die bunte gepuderte Weſenkette mit huͤpfenden Flit¬
tern, mit hochſtaͤmmigen Blumenſtraͤußern, mit
ſchwarz-gleiſſenden geiſtlichen Muſenalmanachs, vor
dem Kommando- und Hirtenſtab ihrer zwei Konſuln,
ſingend und beſungen und eingelaͤutet und angebla¬
ſen durchs Kirchen-Triumphthor einzog. — Ach Kin¬
dern ſteht die Freude noch ſchoͤner wie uns, ſo wie
ein ungluͤckliches, ein bettelndes, dem das Schickſal
das erſte Kindergaͤrtgen zertritt und vor deſſen Au¬
gen beim erſten Aufſchlagen ins Sein nichts haͤngt
als ſchwarzes ungeſtaltes Morgengewoͤlke, unſer
Herz betruͤbter macht als der Vater deſſelben. . . .
»Beeret jede Minute eures erſten Triumphtages
»ab, ihr guten Kinder, und ich wollte, die Predigt
»wuͤrde recht lang, damit ihr den ſchoͤnen Anzug
»laͤnger anbehieltet!» ſagte Viktor und ſah ſich nach
dem Kloſter um, deſſen Fenſter voll unkenntlicher
Zuſchauerinnen waren: er ſetzte ſich vor, beim Re¬
marſche der Kinder-Prozeſſion ſich unter den Fen¬
ſtern das mit dem ſchoͤnſten Inhalt auszuſuchen durch
ein Taſchenperſpektiv. — Gehe nur, guter menſchen¬
freundlicher Menſch, der die ſchoͤnen Seelen liebt
wie die ſchoͤne Natur und die kalten ertraͤgt wie die
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/159>, abgerufen am 27.11.2024.
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