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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

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dort schattende Landschaft, um eine Postkarte und
Reiseroute zu den schönsten Stellen für die Nachmit¬
tagsspaziergänge mit Klotilden schon hier voraus zu
mappiren und zu skizziren, weil Nachmittags die
Entzückungen vielleicht die Wahl der Entzückungen
verfälschen! -- Und so schuf die Natur in seinem
Geiste ihren Morgen und ihren Frühling noch ein¬
mal aus dem Erdenklos des ersten Frühlings, d. h.
aus der heissen Sonne, aus dem kühlen Bache, aus
dem Schmetterling, den der Mai aus der Hülfe
schälte, aus den illuminirten Mücken, die die ge¬
bährende Erde aus dem Larvensamen wie fliegende
Blümgen hervortrieb. -- Da schloß er unter dem
Spazen- und Schwalbengetobe im Dorfe und unter
dem Feldgeschrei der Lerchen und vor den blendenden
Wellen der Bäche, da schloß er die Augen zu und
ließ seine Seele in das klingende Meer und in das
vom Augenlied gemalte Helldunkel untertauchen;
aber dann wäre sein Herz erdrückt worden von der
Schöpfungsfluth, die über dasselbe ging aus allen
Röhren und Betten und Mündungen des Lebens um
ihn, aus dem verstrickten Geäder des Lebensstroms,
der zugleich durch Blumen-Rinnen, durch Baum-
Gossen, durch weiße Mücken-Adern, durch rothe
Blut-Röhren und durch Menschennerven schießt. .
er wäre Freuden-ohnmächtig ertrunken im tiefen
weiten Lebens-Ozean, den Lebensströme durchkreutzen

dort ſchattende Landſchaft, um eine Poſtkarte und
Reiſeroute zu den ſchoͤnſten Stellen fuͤr die Nachmit¬
tagsſpaziergaͤnge mit Klotilden ſchon hier voraus zu
mappiren und zu ſkizziren, weil Nachmittags die
Entzuͤckungen vielleicht die Wahl der Entzuͤckungen
verfaͤlſchen! — Und ſo ſchuf die Natur in ſeinem
Geiſte ihren Morgen und ihren Fruͤhling noch ein¬
mal aus dem Erdenklos des erſten Fruͤhlings, d. h.
aus der heiſſen Sonne, aus dem kuͤhlen Bache, aus
dem Schmetterling, den der Mai aus der Huͤlfe
ſchaͤlte, aus den illuminirten Muͤcken, die die ge¬
baͤhrende Erde aus dem Larvenſamen wie fliegende
Bluͤmgen hervortrieb. — Da ſchloß er unter dem
Spazen- und Schwalbengetobe im Dorfe und unter
dem Feldgeſchrei der Lerchen und vor den blendenden
Wellen der Baͤche, da ſchloß er die Augen zu und
ließ ſeine Seele in das klingende Meer und in das
vom Augenlied gemalte Helldunkel untertauchen;
aber dann waͤre ſein Herz erdruͤckt worden von der
Schoͤpfungsfluth, die uͤber daſſelbe ging aus allen
Roͤhren und Betten und Muͤndungen des Lebens um
ihn, aus dem verſtrickten Geaͤder des Lebensſtroms,
der zugleich durch Blumen-Rinnen, durch Baum-
Goſſen, durch weiße Muͤcken-Adern, durch rothe
Blut-Roͤhren und durch Menſchennerven ſchießt. .
er waͤre Freuden-ohnmaͤchtig ertrunken im tiefen
weiten Lebens-Ozean, den Lebensſtroͤme durchkreutzen

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[151/0161] dort ſchattende Landſchaft, um eine Poſtkarte und Reiſeroute zu den ſchoͤnſten Stellen fuͤr die Nachmit¬ tagsſpaziergaͤnge mit Klotilden ſchon hier voraus zu mappiren und zu ſkizziren, weil Nachmittags die Entzuͤckungen vielleicht die Wahl der Entzuͤckungen verfaͤlſchen! — Und ſo ſchuf die Natur in ſeinem Geiſte ihren Morgen und ihren Fruͤhling noch ein¬ mal aus dem Erdenklos des erſten Fruͤhlings, d. h. aus der heiſſen Sonne, aus dem kuͤhlen Bache, aus dem Schmetterling, den der Mai aus der Huͤlfe ſchaͤlte, aus den illuminirten Muͤcken, die die ge¬ baͤhrende Erde aus dem Larvenſamen wie fliegende Bluͤmgen hervortrieb. — Da ſchloß er unter dem Spazen- und Schwalbengetobe im Dorfe und unter dem Feldgeſchrei der Lerchen und vor den blendenden Wellen der Baͤche, da ſchloß er die Augen zu und ließ ſeine Seele in das klingende Meer und in das vom Augenlied gemalte Helldunkel untertauchen; aber dann waͤre ſein Herz erdruͤckt worden von der Schoͤpfungsfluth, die uͤber daſſelbe ging aus allen Roͤhren und Betten und Muͤndungen des Lebens um ihn, aus dem verſtrickten Geaͤder des Lebensſtroms, der zugleich durch Blumen-Rinnen, durch Baum- Goſſen, durch weiße Muͤcken-Adern, durch rothe Blut-Roͤhren und durch Menſchennerven ſchießt. . er waͤre Freuden-ohnmaͤchtig ertrunken im tiefen weiten Lebens-Ozean, den Lebensſtroͤme durchkreutzen

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/161>, abgerufen am 27.11.2024.