gesöhnte Seele sogleich in ein zürnendes Gesicht zu übertragen, sondern die Unzufriedenheit mit ihrer eignen Voreiligkeit sah allemal wie eine mit einer fremden aus. Daher stand sie auf, um ihm ihren Arm und gleichsam das nahe liegende Herz wieder zu geben. Viktor erlaubte sich den Bruch des dop¬ pelstimmigen Schweigens nicht -- Emanuel kam nach und da sagte Klotilde bewegt als wenn sie erst aufs Vorige antwortete: "ach ich bin meinem Bruder "nur zu sehr verwandt von der Seite meiner Feh¬ "ler." -- Meinte sie Flamins Eifersucht, oder Arg¬ wohn, oder wahrscheinlicher sein Temperament? -- Viktor wandte sich zu ihr, um sie gleichsam für das um Verzeihung zu bitten, was sie gesagt -- und ihre Augen sagten: "o ich hätte dich nicht verkennen "sollen" -- und seine sagten: "ich hätte dich, auch "ungekannt, nie verläugnen sollen" -- und ihre Herzen machten Friede und der Oelzweig wand zwi¬ schen den alten Blumen der Freude ihre Seelen an einander.
Emanuel führte sie, als ihr leitendes Gestirn, auf seine lieben Berge, diese Frontlogen der Erde -- nur von seinem Berg mit der Trauerbirke wehrte er sie aus unbekannten Gründen freundlich ab --; und sein leichtes Aufsteigen gab ihnen die Freude über die Genesung seines Athems. Endlich kamen sie auf den Thron der Gegend, auf den Berg, wo
geſoͤhnte Seele ſogleich in ein zuͤrnendes Geſicht zu uͤbertragen, ſondern die Unzufriedenheit mit ihrer eignen Voreiligkeit ſah allemal wie eine mit einer fremden aus. Daher ſtand ſie auf, um ihm ihren Arm und gleichſam das nahe liegende Herz wieder zu geben. Viktor erlaubte ſich den Bruch des dop¬ pelſtimmigen Schweigens nicht — Emanuel kam nach und da ſagte Klotilde bewegt als wenn ſie erſt aufs Vorige antwortete: »ach ich bin meinem Bruder »nur zu ſehr verwandt von der Seite meiner Feh¬ »ler.» — Meinte ſie Flamins Eiferſucht, oder Arg¬ wohn, oder wahrſcheinlicher ſein Temperament? — Viktor wandte ſich zu ihr, um ſie gleichſam fuͤr das um Verzeihung zu bitten, was ſie geſagt — und ihre Augen ſagten: »o ich haͤtte dich nicht verkennen »ſollen» — und ſeine ſagten: »ich haͤtte dich, auch »ungekannt, nie verlaͤugnen ſollen» — und ihre Herzen machten Friede und der Oelzweig wand zwi¬ ſchen den alten Blumen der Freude ihre Seelen an einander.
Emanuel fuͤhrte ſie, als ihr leitendes Geſtirn, auf ſeine lieben Berge, dieſe Frontlogen der Erde — nur von ſeinem Berg mit der Trauerbirke wehrte er ſie aus unbekannten Gruͤnden freundlich ab —; und ſein leichtes Aufſteigen gab ihnen die Freude uͤber die Geneſung ſeines Athems. Endlich kamen ſie auf den Thron der Gegend, auf den Berg, wo
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geſoͤhnte Seele ſogleich in ein zuͤrnendes Geſicht zu
uͤbertragen, ſondern die Unzufriedenheit mit ihrer
eignen Voreiligkeit ſah allemal wie eine mit einer
fremden aus. Daher ſtand ſie auf, um ihm ihren
Arm und gleichſam das nahe liegende Herz wieder
zu geben. Viktor erlaubte ſich den Bruch des dop¬
pelſtimmigen Schweigens nicht — Emanuel kam nach
und da ſagte Klotilde bewegt als wenn ſie erſt aufs
Vorige antwortete: »ach ich bin meinem Bruder
»nur zu ſehr verwandt von der Seite meiner Feh¬
»ler.» — Meinte ſie Flamins Eiferſucht, oder Arg¬
wohn, oder wahrſcheinlicher ſein Temperament? —
Viktor wandte ſich zu ihr, um ſie gleichſam fuͤr das
um Verzeihung zu bitten, was ſie geſagt — und
ihre Augen ſagten: »o ich haͤtte dich nicht verkennen
»ſollen» — und ſeine ſagten: »ich haͤtte dich, auch
»ungekannt, nie verlaͤugnen ſollen» — und ihre
Herzen machten Friede und der Oelzweig wand zwi¬
ſchen den alten Blumen der Freude ihre Seelen an
einander.
Emanuel fuͤhrte ſie, als ihr leitendes Geſtirn,
auf ſeine lieben Berge, dieſe Frontlogen der Erde
— nur von ſeinem Berg mit der Trauerbirke wehrte
er ſie aus unbekannten Gruͤnden freundlich ab —;
und ſein leichtes Aufſteigen gab ihnen die Freude
uͤber die Geneſung ſeines Athems. Endlich kamen
ſie auf den Thron der Gegend, auf den Berg, wo
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/172>, abgerufen am 26.11.2024.
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