trinkende Herz taumelte voll vom gemischten Trank aus Sehnsucht und Wehmuth und Liebe. --
Dann sagt' er es ihr gern, daß er an jenem Morgen sie hier gesehen habe, wo er dem Blinden das Blättgen an Emanuel gegeben, und daß er sich doch ihren Besuch versaget -- -- gieb ihm nur, Klotilde, den großen warmen Blick voll Dank für sein Schonen deines Bruders, für sein edles Lieben und für sein Ueberschleiern dieses Liebens! -- Sie sah ihn an und als ihr Auge warm von einer Thrä¬ ne wurde, neigte sich der Himmel auf einem Son¬ nenwölkgen zu ihnen nieder und berührte die ver¬ wandten Menschen mit heissen herunterflatternden Tropfen. -- O du gute Erde, du gute Natur! Du sympathisirst öfter (und allemal) mit guten Menschen als oft gute Menschen selber! -- Vor ihn trat der Traum, Klotildens Thränen den Fußboden in ein hebendes Wölkgen zertheilten . . .
Aber der heranziehende Abend und die kleinen herunterrollenden zerrissenen Perlenschnüre von Re¬ gentropfen riefen die schönen Menschen in die Zim¬ mer zurück. Die Mädgen, die mit den Blinden nicht einmal den Berg ganz erklettert hatten, kehr¬ ten schon um und gingen voraus. Emanuel entfern¬ te sich auf seinen Trauerberg, um dort seine Blu¬ men dem Regen aufzudecken. Als unsere zwei lie¬ benden Menschen unten im rauchenden Thale anka¬
trinkende Herz taumelte voll vom gemiſchten Trank aus Sehnſucht und Wehmuth und Liebe. —
Dann ſagt' er es ihr gern, daß er an jenem Morgen ſie hier geſehen habe, wo er dem Blinden das Blaͤttgen an Emanuel gegeben, und daß er ſich doch ihren Beſuch verſaget — — gieb ihm nur, Klotilde, den großen warmen Blick voll Dank fuͤr ſein Schonen deines Bruders, fuͤr ſein edles Lieben und fuͤr ſein Ueberſchleiern dieſes Liebens! — Sie ſah ihn an und als ihr Auge warm von einer Thraͤ¬ ne wurde, neigte ſich der Himmel auf einem Son¬ nenwoͤlkgen zu ihnen nieder und beruͤhrte die ver¬ wandten Menſchen mit heiſſen herunterflatternden Tropfen. — O du gute Erde, du gute Natur! Du ſympathiſirſt oͤfter (und allemal) mit guten Menſchen als oft gute Menſchen ſelber! — Vor ihn trat der Traum, Klotildens Thraͤnen den Fußboden in ein hebendes Woͤlkgen zertheilten . . .
Aber der heranziehende Abend und die kleinen herunterrollenden zerriſſenen Perlenſchnuͤre von Re¬ gentropfen riefen die ſchoͤnen Menſchen in die Zim¬ mer zuruͤck. Die Maͤdgen, die mit den Blinden nicht einmal den Berg ganz erklettert hatten, kehr¬ ten ſchon um und gingen voraus. Emanuel entfern¬ te ſich auf ſeinen Trauerberg, um dort ſeine Blu¬ men dem Regen aufzudecken. Als unſere zwei lie¬ benden Menſchen unten im rauchenden Thale anka¬
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trinkende Herz taumelte voll vom gemiſchten Trank
aus Sehnſucht und Wehmuth und Liebe. —
Dann ſagt' er es ihr gern, daß er an jenem
Morgen ſie hier geſehen habe, wo er dem Blinden
das Blaͤttgen an Emanuel gegeben, und daß er ſich
doch ihren Beſuch verſaget — — gieb ihm nur,
Klotilde, den großen warmen Blick voll Dank fuͤr
ſein Schonen deines Bruders, fuͤr ſein edles Lieben
und fuͤr ſein Ueberſchleiern dieſes Liebens! — Sie
ſah ihn an und als ihr Auge warm von einer Thraͤ¬
ne wurde, neigte ſich der Himmel auf einem Son¬
nenwoͤlkgen zu ihnen nieder und beruͤhrte die ver¬
wandten Menſchen mit heiſſen herunterflatternden
Tropfen. — O du gute Erde, du gute Natur! Du
ſympathiſirſt oͤfter (und allemal) mit guten Menſchen
als oft gute Menſchen ſelber! — Vor ihn trat der
Traum, Klotildens Thraͤnen den Fußboden in
ein hebendes Woͤlkgen zertheilten . . .
Aber der heranziehende Abend und die kleinen
herunterrollenden zerriſſenen Perlenſchnuͤre von Re¬
gentropfen riefen die ſchoͤnen Menſchen in die Zim¬
mer zuruͤck. Die Maͤdgen, die mit den Blinden
nicht einmal den Berg ganz erklettert hatten, kehr¬
ten ſchon um und gingen voraus. Emanuel entfern¬
te ſich auf ſeinen Trauerberg, um dort ſeine Blu¬
men dem Regen aufzudecken. Als unſere zwei lie¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/174>, abgerufen am 26.11.2024.
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