Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.Welt, aber in diesem großen Auge stand etwas Die Töne der Nachtigal schlugen jetzt gleich ho¬ Leser! erhebe deinen Geist zu keiner Entzückung, Dem ersten Rufe der vertrauten Nachtigal ant¬ Welt, aber in dieſem großen Auge ſtand etwas Die Toͤne der Nachtigal ſchlugen jetzt gleich ho¬ Leſer! erhebe deinen Geiſt zu keiner Entzuͤckung, Dem erſten Rufe der vertrauten Nachtigal ant¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0222" n="212"/> Welt, aber in dieſem großen Auge ſtand etwas<lb/> gleichſam wie die fuͤrchterliche Frage: »lieben wir<lb/> uns nicht vergeblich fuͤr dieſe Welt?» — Und ihr<lb/> ſchlagendes Herz erſchuͤtterte die blutige Nelke. —<lb/> Der Mond und der Abendſtern glimten einſam wie<lb/> eine Vergangenheit im Himmel. — Julius ruhte<lb/> ſtumm und niedergedruͤckt mit umſchließenden Armen<lb/> auf dem eingeſunknen Huͤgel, der auf den Staub<lb/> ſeines zerſplitterten Paradiſes gewaͤlzet war. —</p><lb/> <p>Die Toͤne der Nachtigal ſchlugen jetzt gleich ho¬<lb/> hen Wellen an die Nacht — da ermannte er ſich,<lb/> um ihr Lebe wohl zu ſagen . . .</p><lb/> <p>Leſer! erhebe deinen Geiſt zu keiner Entzuͤckung,<lb/> denn ſie wird bald in einem Krampf erſtarren —<lb/> aber ich erhebe meine Seele dazu, weil ſogar das<lb/> toͤdtliche Niederſtuͤrzen an der Pforte des Paradiſes<lb/> ſchoͤn iſt unter dem Weggehen daraus!</p><lb/> <p>Dem erſten Rufe der vertrauten Nachtigal ant¬<lb/> wortete ploͤtzlich noch hoͤher eine neue hergeflatterte<lb/> von dicken Bluͤten gedaͤmpfte Nachtigal, die immer<lb/> unter dem Singen flog und jetzt aus der Bluͤtenhoͤle<lb/> ihr melodiſches Schmachten ziehen ließ. Die zwei<lb/> Menſchen, die das Scheiden verſchoben und fuͤrchte¬<lb/> ten, irrten betaͤubt der gehenden Nachtigal nach und<lb/> waren auf dem Wege zur ſeeligen Bluͤtenhoͤle: ſie<lb/> wußten nicht, daß ſie allein waren; denn in ihrem<lb/> Herzen war Gott; vor ihrem Auge ſchimmerte die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [212/0222]
Welt, aber in dieſem großen Auge ſtand etwas
gleichſam wie die fuͤrchterliche Frage: »lieben wir
uns nicht vergeblich fuͤr dieſe Welt?» — Und ihr
ſchlagendes Herz erſchuͤtterte die blutige Nelke. —
Der Mond und der Abendſtern glimten einſam wie
eine Vergangenheit im Himmel. — Julius ruhte
ſtumm und niedergedruͤckt mit umſchließenden Armen
auf dem eingeſunknen Huͤgel, der auf den Staub
ſeines zerſplitterten Paradiſes gewaͤlzet war. —
Die Toͤne der Nachtigal ſchlugen jetzt gleich ho¬
hen Wellen an die Nacht — da ermannte er ſich,
um ihr Lebe wohl zu ſagen . . .
Leſer! erhebe deinen Geiſt zu keiner Entzuͤckung,
denn ſie wird bald in einem Krampf erſtarren —
aber ich erhebe meine Seele dazu, weil ſogar das
toͤdtliche Niederſtuͤrzen an der Pforte des Paradiſes
ſchoͤn iſt unter dem Weggehen daraus!
Dem erſten Rufe der vertrauten Nachtigal ant¬
wortete ploͤtzlich noch hoͤher eine neue hergeflatterte
von dicken Bluͤten gedaͤmpfte Nachtigal, die immer
unter dem Singen flog und jetzt aus der Bluͤtenhoͤle
ihr melodiſches Schmachten ziehen ließ. Die zwei
Menſchen, die das Scheiden verſchoben und fuͤrchte¬
ten, irrten betaͤubt der gehenden Nachtigal nach und
waren auf dem Wege zur ſeeligen Bluͤtenhoͤle: ſie
wußten nicht, daß ſie allein waren; denn in ihrem
Herzen war Gott; vor ihrem Auge ſchimmerte die
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