Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

wußte zu rathen: er sagte, er wolle in seinem eignen
Namen den Kammerherrn fodern und zwar auf ein
vermummtes Duel und dann könne in der Verkap¬
pung Flamin seine Rolle nehmen, indeß er selber un¬
ter dem Namen des dritten Engländers dabei wäre
und die zwei andern als Sekundanten.

Flamin wurde durch Schnelligkeit übermannt;
aber nun fehlte es wieder an etwas das noch weni¬
ger als der Adel zu einem Fechterspiel zu entrathen
ist -- an einer guten ordentlichen Beleidigung. Maz
war zwar mit Vergnügen bereit, dem Manne eine
anzuthun, die zu einem Duelle qualifizirte; aber der
Mann mit dem kammerherrlichen Dieterich ließ be¬
fahren, er werde sie vergeben -- und niemand käme
zum Schuß. -- Recht glücklicherweise entsann sich
der Evangelist, daß er ja selber schon eine von ihm
erhalten habe, die er nur nützlich und redlich zu ver¬
wenden brauche: "le Baut hab' ihm ja vor zwei
"Jahren die Tochter so gut wie versprochen; und so
"gleichgültig dieser Meineid an sich sey, so behalt'
"er doch als Vorwand zur Züchtigung für einen
"größern Fehler seinen guten Werth." . . . So
nimmt auf einer schmutzigen Zunge die Wahrheit die
Gestalt der Lüge an, sobald sich die Lüge nicht in
die der Wahrheit kleiden kann.

Ich bin in Angst, man denke, daß Matthieu ei¬
nem Kammerherrn, zumal einem, bei dem Verspre¬

chen

wußte zu rathen: er ſagte, er wolle in ſeinem eignen
Namen den Kammerherrn fodern und zwar auf ein
vermummtes Duel und dann koͤnne in der Verkap¬
pung Flamin ſeine Rolle nehmen, indeß er ſelber un¬
ter dem Namen des dritten Englaͤnders dabei waͤre
und die zwei andern als Sekundanten.

Flamin wurde durch Schnelligkeit uͤbermannt;
aber nun fehlte es wieder an etwas das noch weni¬
ger als der Adel zu einem Fechterſpiel zu entrathen
iſt — an einer guten ordentlichen Beleidigung. Maz
war zwar mit Vergnuͤgen bereit, dem Manne eine
anzuthun, die zu einem Duelle qualifizirte; aber der
Mann mit dem kammerherrlichen Dieterich ließ be¬
fahren, er werde ſie vergeben — und niemand kaͤme
zum Schuß. — Recht gluͤcklicherweiſe entſann ſich
der Evangeliſt, daß er ja ſelber ſchon eine von ihm
erhalten habe, die er nur nuͤtzlich und redlich zu ver¬
wenden brauche: »le Baut hab' ihm ja vor zwei
»Jahren die Tochter ſo gut wie verſprochen; und ſo
»gleichguͤltig dieſer Meineid an ſich ſey, ſo behalt'
»er doch als Vorwand zur Zuͤchtigung fuͤr einen
»groͤßern Fehler ſeinen guten Werth.« . . . So
nimmt auf einer ſchmutzigen Zunge die Wahrheit die
Geſtalt der Luͤge an, ſobald ſich die Luͤge nicht in
die der Wahrheit kleiden kann.

Ich bin in Angſt, man denke, daß Matthieu ei¬
nem Kammerherrn, zumal einem, bei dem Verſpre¬

chen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0330" n="320"/>
wußte zu rathen: er &#x017F;agte, er wolle in &#x017F;einem eignen<lb/>
Namen den Kammerherrn fodern und zwar auf ein<lb/>
vermummtes Duel und dann ko&#x0364;nne in der Verkap¬<lb/>
pung Flamin &#x017F;eine Rolle nehmen, indeß er &#x017F;elber un¬<lb/>
ter dem Namen des dritten Engla&#x0364;nders dabei wa&#x0364;re<lb/>
und die zwei andern als Sekundanten.</p><lb/>
          <p>Flamin wurde durch Schnelligkeit u&#x0364;bermannt;<lb/>
aber nun fehlte es wieder an etwas das noch weni¬<lb/>
ger als der Adel zu einem Fechter&#x017F;piel zu entrathen<lb/>
i&#x017F;t &#x2014; an einer guten ordentlichen Beleidigung. Maz<lb/>
war zwar mit Vergnu&#x0364;gen bereit, dem Manne eine<lb/>
anzuthun, die zu einem Duelle qualifizirte; aber der<lb/>
Mann mit dem kammerherrlichen Dieterich ließ be¬<lb/>
fahren, er werde &#x017F;ie vergeben &#x2014; und niemand ka&#x0364;me<lb/>
zum Schuß. &#x2014; Recht glu&#x0364;cklicherwei&#x017F;e ent&#x017F;ann &#x017F;ich<lb/>
der Evangeli&#x017F;t, daß er ja &#x017F;elber &#x017F;chon eine von ihm<lb/>
erhalten habe, die er nur nu&#x0364;tzlich und redlich zu ver¬<lb/>
wenden brauche: »<hi rendition="#aq">le Baut</hi> hab' ihm ja vor <hi rendition="#g">zwei</hi><lb/>
»Jahren die Tochter &#x017F;o gut wie ver&#x017F;prochen; und &#x017F;o<lb/>
»gleichgu&#x0364;ltig die&#x017F;er Meineid an &#x017F;ich &#x017F;ey, &#x017F;o behalt'<lb/>
»er doch als Vorwand zur Zu&#x0364;chtigung fu&#x0364;r einen<lb/>
»gro&#x0364;ßern Fehler &#x017F;einen guten Werth.« . . . So<lb/>
nimmt auf einer &#x017F;chmutzigen Zunge die Wahrheit die<lb/>
Ge&#x017F;talt der Lu&#x0364;ge an, &#x017F;obald &#x017F;ich die Lu&#x0364;ge nicht in<lb/>
die der Wahrheit kleiden kann.</p><lb/>
          <p>Ich bin in Ang&#x017F;t, man denke, daß Matthieu ei¬<lb/>
nem Kammerherrn, zumal einem, bei dem Ver&#x017F;pre¬<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">chen<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[320/0330] wußte zu rathen: er ſagte, er wolle in ſeinem eignen Namen den Kammerherrn fodern und zwar auf ein vermummtes Duel und dann koͤnne in der Verkap¬ pung Flamin ſeine Rolle nehmen, indeß er ſelber un¬ ter dem Namen des dritten Englaͤnders dabei waͤre und die zwei andern als Sekundanten. Flamin wurde durch Schnelligkeit uͤbermannt; aber nun fehlte es wieder an etwas das noch weni¬ ger als der Adel zu einem Fechterſpiel zu entrathen iſt — an einer guten ordentlichen Beleidigung. Maz war zwar mit Vergnuͤgen bereit, dem Manne eine anzuthun, die zu einem Duelle qualifizirte; aber der Mann mit dem kammerherrlichen Dieterich ließ be¬ fahren, er werde ſie vergeben — und niemand kaͤme zum Schuß. — Recht gluͤcklicherweiſe entſann ſich der Evangeliſt, daß er ja ſelber ſchon eine von ihm erhalten habe, die er nur nuͤtzlich und redlich zu ver¬ wenden brauche: »le Baut hab' ihm ja vor zwei »Jahren die Tochter ſo gut wie verſprochen; und ſo »gleichguͤltig dieſer Meineid an ſich ſey, ſo behalt' »er doch als Vorwand zur Zuͤchtigung fuͤr einen »groͤßern Fehler ſeinen guten Werth.« . . . So nimmt auf einer ſchmutzigen Zunge die Wahrheit die Geſtalt der Luͤge an, ſobald ſich die Luͤge nicht in die der Wahrheit kleiden kann. Ich bin in Angſt, man denke, daß Matthieu ei¬ nem Kammerherrn, zumal einem, bei dem Verſpre¬ chen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/330
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/330>, abgerufen am 23.11.2024.