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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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weltlicher Arm bewegte sich auf ihr fort. "Ich fah¬
re immer fort (fuhr er fort) -- inzwischen danke
Gott, daß dein Mann so viel Gelassenheit hat, daß
er alles abwägen kann, was er thut." Sie wur¬
de nicht eher kalt als bis er hitzig wurde; dieses
merkte sie daraus wenn er wie Sokrates stumm
wurde und seine Hand mit seiner herabgerissenen
Schlafmütze bewafnete und beflügelte. So heiß
ihr vor seinem einschlagenden Gewitter seine ste¬
chende Sonnenfreundlichkeit vorkam: so unange¬
nehm kalt war ihr nach demselben sein Gewölke;
kurz beide spielten vor und nach dem Kampfe um¬
gekehrte Rollen. Diesesmal traf ihr Zorn eine
Wetterscheide an und zog sich ganz über den, der
unter den ziegenköpfigen Wasen auf der Bergere
saß, auf den Rittmeister. Dieser ließ auf die er¬
ste Zeitung dieses eckelhaften Krieges sein Winter¬
geräthe in Scheerau einpacken und das Sommerge¬
räthe in Auenthal auspacken, und gieng -- zwar.

Aber er wäre beinahe geblieben.

Beiläufig! so widrige Minuten mir die Erzäh¬
lung einer solchen empörenden Handlung jezt ge¬
macht hat; und so sehr jeder der feinern Ehewel[t]
gratulieren wird, daß sie sich niemals ausprügelt:

weltlicher Arm bewegte ſich auf ihr fort. „Ich fah¬
re immer fort (fuhr er fort) — inzwiſchen danke
Gott, daß dein Mann ſo viel Gelaſſenheit hat, daß
er alles abwaͤgen kann, was er thut.“ Sie wur¬
de nicht eher kalt als bis er hitzig wurde; dieſes
merkte ſie daraus wenn er wie Sokrates ſtumm
wurde und ſeine Hand mit ſeiner herabgeriſſenen
Schlafmuͤtze bewafnete und befluͤgelte. So heiß
ihr vor ſeinem einſchlagenden Gewitter ſeine ſte¬
chende Sonnenfreundlichkeit vorkam: ſo unange¬
nehm kalt war ihr nach demſelben ſein Gewoͤlke;
kurz beide ſpielten vor und nach dem Kampfe um¬
gekehrte Rollen. Dieſesmal traf ihr Zorn eine
Wetterſcheide an und zog ſich ganz uͤber den, der
unter den ziegenkoͤpfigen Waſen auf der Bergere
ſaß, auf den Rittmeiſter. Dieſer ließ auf die er¬
ſte Zeitung dieſes eckelhaften Krieges ſein Winter¬
geraͤthe in Scheerau einpacken und das Sommerge¬
raͤthe in Auenthal auspacken, und gieng — zwar.

Aber er waͤre beinahe geblieben.

Beilaͤufig! ſo widrige Minuten mir die Erzaͤh¬
lung einer ſolchen empoͤrenden Handlung jezt ge¬
macht hat; und ſo ſehr jeder der feinern Ehewel[t]
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[168/0204] weltlicher Arm bewegte ſich auf ihr fort. „Ich fah¬ re immer fort (fuhr er fort) — inzwiſchen danke Gott, daß dein Mann ſo viel Gelaſſenheit hat, daß er alles abwaͤgen kann, was er thut.“ Sie wur¬ de nicht eher kalt als bis er hitzig wurde; dieſes merkte ſie daraus wenn er wie Sokrates ſtumm wurde und ſeine Hand mit ſeiner herabgeriſſenen Schlafmuͤtze bewafnete und befluͤgelte. So heiß ihr vor ſeinem einſchlagenden Gewitter ſeine ſte¬ chende Sonnenfreundlichkeit vorkam: ſo unange¬ nehm kalt war ihr nach demſelben ſein Gewoͤlke; kurz beide ſpielten vor und nach dem Kampfe um¬ gekehrte Rollen. Dieſesmal traf ihr Zorn eine Wetterſcheide an und zog ſich ganz uͤber den, der unter den ziegenkoͤpfigen Waſen auf der Bergere ſaß, auf den Rittmeiſter. Dieſer ließ auf die er¬ ſte Zeitung dieſes eckelhaften Krieges ſein Winter¬ geraͤthe in Scheerau einpacken und das Sommerge¬ raͤthe in Auenthal auspacken, und gieng — zwar. Aber er waͤre beinahe geblieben. Beilaͤufig! ſo widrige Minuten mir die Erzaͤh¬ lung einer ſolchen empoͤrenden Handlung jezt ge¬ macht hat; und ſo ſehr jeder der feinern Ehewelt gratulieren wird, daß ſie ſich niemals auspruͤgelt:

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/204>, abgerufen am 21.11.2024.