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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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cher u. s. w. gedenken." Jeder wollte vier Mann
zum Narren haben; der Professer wollte fünf Mann
dazu haben -- allen gelang es.

Abends wurden fünf Feuillets illuminirtes Was¬
ser ins Zimmer getragen; jeder rückte hinter sein
Schenktischgen und schraubte den Korkstöpsel vom
Quasi-Wein ab. Die ersten Flaschen Bouteillenwas¬
ser wurden still von der Gesellschaft eingesogen:
wahre Pfiffigkeit mußte der Luft- und Wasserpar¬
thie diesen Schein stufenweiser Berauschung vor¬
schreiben.

Nun aber hob das Sonnensystem sein Wasser¬
ziehen
an. "Der Wein könnte stärker seyn" sag¬
te jeder, und wollte jeden betrügen. Der Gerichts¬
halter mit rosenrother Nasenknospe spritzte seinen
Kadaver statt des Spiritus mit mehr Wasser aus
als er in seiner ganzen Ewigkeit a parte ante selbst
getrunken oder gep...ss..t, oder aus fremden
Augen gedrückt. Ein Mensch, der so wasserhaltig
wie er wird, daß er sich schwer aufrecht erhält vor
Nüchternheit, macht andern Konföderirten leicht
glaublich, es sei vor Betrunkenheit: und alle lä¬
chelten sehr, da er lachte.

cher u. ſ. w. gedenken.“ Jeder wollte vier Mann
zum Narren haben; der Profeſſer wollte fuͤnf Mann
dazu haben — allen gelang es.

Abends wurden fuͤnf Feuillets illuminirtes Waſ¬
ſer ins Zimmer getragen; jeder ruͤckte hinter ſein
Schenktiſchgen und ſchraubte den Korkſtoͤpſel vom
Quaſi-Wein ab. Die erſten Flaſchen Bouteillenwaſ¬
ſer wurden ſtill von der Geſellſchaft eingeſogen:
wahre Pfiffigkeit mußte der Luft- und Waſſerpar¬
thie dieſen Schein ſtufenweiſer Berauſchung vor¬
ſchreiben.

Nun aber hob das Sonnenſyſtem ſein Waſſer¬
ziehen
an. „Der Wein koͤnnte ſtaͤrker ſeyn“ ſag¬
te jeder, und wollte jeden betruͤgen. Der Gerichts¬
halter mit roſenrother Naſenknoſpe ſpritzte ſeinen
Kadaver ſtatt des Spiritus mit mehr Waſſer aus
als er in ſeiner ganzen Ewigkeit a parte ante ſelbſt
getrunken oder gep...ſſ..t, oder aus fremden
Augen gedruͤckt. Ein Menſch, der ſo waſſerhaltig
wie er wird, daß er ſich ſchwer aufrecht erhaͤlt vor
Nuͤchternheit, macht andern Konfoͤderirten leicht
glaublich, es ſei vor Betrunkenheit: und alle laͤ¬
chelten ſehr, da er lachte.

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[170/0206] cher u. ſ. w. gedenken.“ Jeder wollte vier Mann zum Narren haben; der Profeſſer wollte fuͤnf Mann dazu haben — allen gelang es. Abends wurden fuͤnf Feuillets illuminirtes Waſ¬ ſer ins Zimmer getragen; jeder ruͤckte hinter ſein Schenktiſchgen und ſchraubte den Korkſtoͤpſel vom Quaſi-Wein ab. Die erſten Flaſchen Bouteillenwaſ¬ ſer wurden ſtill von der Geſellſchaft eingeſogen: wahre Pfiffigkeit mußte der Luft- und Waſſerpar¬ thie dieſen Schein ſtufenweiſer Berauſchung vor¬ ſchreiben. Nun aber hob das Sonnenſyſtem ſein Waſſer¬ ziehen an. „Der Wein koͤnnte ſtaͤrker ſeyn“ ſag¬ te jeder, und wollte jeden betruͤgen. Der Gerichts¬ halter mit roſenrother Naſenknoſpe ſpritzte ſeinen Kadaver ſtatt des Spiritus mit mehr Waſſer aus als er in ſeiner ganzen Ewigkeit a parte ante ſelbſt getrunken oder gep...ſſ..t, oder aus fremden Augen gedruͤckt. Ein Menſch, der ſo waſſerhaltig wie er wird, daß er ſich ſchwer aufrecht erhaͤlt vor Nuͤchternheit, macht andern Konfoͤderirten leicht glaublich, es ſei vor Betrunkenheit: und alle laͤ¬ chelten ſehr, da er lachte.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/206>, abgerufen am 21.11.2024.