zusammen. Wir konnten ferner unsere Zahlen zu¬ sammensparen; und Kinder heftet nichts so sehr an Fleiß als ein wachsendes Eigenthum (von Ziffern oder von Schreibbüchern.) Solche Zahlen wegstreichen war Strafe. Er machte uns alle da¬ durch so fleißig, besonders mich, daß ich wenige Jahre darauf im Stande war, eine Biographie zu schreiben, die noch jetzt gelesen wird."
"Reden Sie mit meinen Lieben nie kurz, nie allgemein, sondern sinnlich und erzählen Sie ganz wie Voß seine Idyllen."
"So hab' ich die Poussiergriffel und Formzeuge an meinem Gustav gebraucht, wahrhaftig nicht um ihn seiner Biographie, die ich verfaste, son¬ dern dem Leben anzupassen; ich wollt' aber, der Henker holte das Menschenherz, das für eigne Kinder nicht thun will, was es für ein fremdes that."
"Meine Töchter hingegen, werther Herr Haus¬ lehrer, die ältern sowohl als die jüngern geb' ich Ihnen nicht in die nämliche Schulstunde -- Mäd¬ gen könnten mit Knaben eben so gut Schlafzimmer als Schulstube theilen -- und in gar keine. Ein Hofmeister, der Mädgen zu erziehen wüste (und
zuſammen. Wir konnten ferner unſere Zahlen zu¬ ſammenſparen; und Kinder heftet nichts ſo ſehr an Fleiß als ein wachſendes Eigenthum (von Ziffern oder von Schreibbuͤchern.) Solche Zahlen wegſtreichen war Strafe. Er machte uns alle da¬ durch ſo fleißig, beſonders mich, daß ich wenige Jahre darauf im Stande war, eine Biographie zu ſchreiben, die noch jetzt geleſen wird.”
„Reden Sie mit meinen Lieben nie kurz, nie allgemein, ſondern ſinnlich und erzaͤhlen Sie ganz wie Voß ſeine Idyllen.”
„So hab' ich die Pouſſiergriffel und Formzeuge an meinem Guſtav gebraucht, wahrhaftig nicht um ihn ſeiner Biographie, die ich verfaſte, ſon¬ dern dem Leben anzupaſſen; ich wollt' aber, der Henker holte das Menſchenherz, das fuͤr eigne Kinder nicht thun will, was es fuͤr ein fremdes that.”
„Meine Toͤchter hingegen, werther Herr Haus¬ lehrer, die aͤltern ſowohl als die juͤngern geb' ich Ihnen nicht in die naͤmliche Schulſtunde — Maͤd¬ gen koͤnnten mit Knaben eben ſo gut Schlafzimmer als Schulſtube theilen — und in gar keine. Ein Hofmeiſter, der Maͤdgen zu erziehen wuͤſte (und
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zuſammen. Wir konnten ferner unſere Zahlen zu¬
ſammenſparen; und Kinder heftet nichts ſo ſehr
an Fleiß als ein wachſendes Eigenthum (von
Ziffern oder von Schreibbuͤchern.) Solche Zahlen
wegſtreichen war Strafe. Er machte uns alle da¬
durch ſo fleißig, beſonders mich, daß ich wenige
Jahre darauf im Stande war, eine Biographie
zu ſchreiben, die noch jetzt geleſen wird.”
„Reden Sie mit meinen Lieben nie kurz, nie
allgemein, ſondern ſinnlich und erzaͤhlen Sie
ganz wie Voß ſeine Idyllen.”
„So hab' ich die Pouſſiergriffel und Formzeuge
an meinem Guſtav gebraucht, wahrhaftig nicht
um ihn ſeiner Biographie, die ich verfaſte, ſon¬
dern dem Leben anzupaſſen; ich wollt' aber, der
Henker holte das Menſchenherz, das fuͤr eigne
Kinder nicht thun will, was es fuͤr ein fremdes
that.”
„Meine Toͤchter hingegen, werther Herr Haus¬
lehrer, die aͤltern ſowohl als die juͤngern geb' ich
Ihnen nicht in die naͤmliche Schulſtunde — Maͤd¬
gen koͤnnten mit Knaben eben ſo gut Schlafzimmer
als Schulſtube theilen — und in gar keine. Ein
Hofmeiſter, der Maͤdgen zu erziehen wuͤſte (und
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/222>, abgerufen am 24.11.2024.
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