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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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bemerken und nicht annehmen. O ich verzieh dir
alles, und der größte Beweis ist der, daß ich da¬
von spreche. -- Der junge Jüngling bewundert
und begehrt zugleich, der ältere Jüngling ist fä¬
hig, bloß zu bewundern. Beatens Empfindungen
und Worte sind noch der blendendweisse und reine
frische Schnee, wie sie vom Himmel gefallen sind:
noch kein Fußtritt und kein Alter hat diesen Glanz
beschmutzt. Sie wurde noch schöner, weil sie heu¬
te thätiger war als sonst und ihre schönen Schul¬
tern der Last der Mutter lieh: die blasse Monds-
Aurora, die sonst auf ihren Wangen den ganzen
Himmel weiß ließ, überfloß ihn mit einem Rosen-
Widerschein: auch die fremde Freude, für die sie
heute thätig war, gab ihr das erhöhte Kolorit,
das sie sonst durch eigne verlor. -- Die Mädchen
wissen nicht, wie sehr sie Geschäftigkeit verschöne¬
re, wie sehr an ihnen und den Taubenhälsen das
Gefieder nur schillere und spiele, wenn sie sich be¬
wegen und wie sehr wir Männer den Raubthieren
gleichen, die keine Beute haben wollen die stille
ruht.

Ihre Mutter sagte mir freudig die Ursache,
weswegen der Legationsrath da säße: er hatte Bea¬

bemerken und nicht annehmen. O ich verzieh dir
alles, und der groͤßte Beweis iſt der, daß ich da¬
von ſpreche. — Der junge Juͤngling bewundert
und begehrt zugleich, der aͤltere Juͤngling iſt faͤ¬
hig, bloß zu bewundern. Beatens Empfindungen
und Worte ſind noch der blendendweiſſe und reine
friſche Schnee, wie ſie vom Himmel gefallen ſind:
noch kein Fußtritt und kein Alter hat dieſen Glanz
beſchmutzt. Sie wurde noch ſchoͤner, weil ſie heu¬
te thaͤtiger war als ſonſt und ihre ſchoͤnen Schul¬
tern der Laſt der Mutter lieh: die blaſſe Monds-
Aurora, die ſonſt auf ihren Wangen den ganzen
Himmel weiß ließ, uͤberfloß ihn mit einem Roſen-
Widerſchein: auch die fremde Freude, fuͤr die ſie
heute thaͤtig war, gab ihr das erhoͤhte Kolorit,
das ſie ſonſt durch eigne verlor. — Die Maͤdchen
wiſſen nicht, wie ſehr ſie Geſchaͤftigkeit verſchoͤne¬
re, wie ſehr an ihnen und den Taubenhaͤlſen das
Gefieder nur ſchillere und ſpiele, wenn ſie ſich be¬
wegen und wie ſehr wir Maͤnner den Raubthieren
gleichen, die keine Beute haben wollen die ſtille
ruht.

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[266/0302] bemerken und nicht annehmen. O ich verzieh dir alles, und der groͤßte Beweis iſt der, daß ich da¬ von ſpreche. — Der junge Juͤngling bewundert und begehrt zugleich, der aͤltere Juͤngling iſt faͤ¬ hig, bloß zu bewundern. Beatens Empfindungen und Worte ſind noch der blendendweiſſe und reine friſche Schnee, wie ſie vom Himmel gefallen ſind: noch kein Fußtritt und kein Alter hat dieſen Glanz beſchmutzt. Sie wurde noch ſchoͤner, weil ſie heu¬ te thaͤtiger war als ſonſt und ihre ſchoͤnen Schul¬ tern der Laſt der Mutter lieh: die blaſſe Monds- Aurora, die ſonſt auf ihren Wangen den ganzen Himmel weiß ließ, uͤberfloß ihn mit einem Roſen- Widerſchein: auch die fremde Freude, fuͤr die ſie heute thaͤtig war, gab ihr das erhoͤhte Kolorit, das ſie ſonſt durch eigne verlor. — Die Maͤdchen wiſſen nicht, wie ſehr ſie Geſchaͤftigkeit verſchoͤne¬ re, wie ſehr an ihnen und den Taubenhaͤlſen das Gefieder nur ſchillere und ſpiele, wenn ſie ſich be¬ wegen und wie ſehr wir Maͤnner den Raubthieren gleichen, die keine Beute haben wollen die ſtille ruht. Ihre Mutter ſagte mir freudig die Urſache, weswegen der Legationsrath da ſaͤße: er hatte Bea¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/302>, abgerufen am 21.11.2024.