Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

trinken wollte, so sieht man wohl, daß er klein,
wie Gustav groß gezogen werden sollte, weil
er der netteste schwärzeste -- Pudel war, der je¬
mals über der Erde mit einer weißen Brust herum¬
gesprungen war. Dieser verständige Hund und Mit¬
arbeiter lösete den Oberlehrer oft in Spielen ab;
zweitens konnten die meisten Tugenden nicht sowol
von als an ihm durch Gustav ausgeübt werden
und er hielt dazu die nöthigen ungleichnami¬
gen
Laster bereit -- im Schlaf biß der Schulkolle¬
ge leicht um sich nach lebendigen Beinen im Wa¬
chen nach abgezauseten.

In diesem unterirrdischen Amerika hatten die
drei Antipoden ihren Tag, d. h. es war ein Licht an¬
gezündet, wenns oben bei uns Nacht war -- Nacht
d. h. Schlaf hatten sie, wenn bei uns die Sonne
schien. Der schöne Genius hatte des äußern Lärms
und seiner Tagsausflüge wegen es so eingerichtet.
Der Kleine lag dann unten in seiner Karthause,
während sein Lehrer Luft und Menschen genoß,
mit zugeschnürten Augen, weil dem Zufall
und der Kellerthür nicht zu trauen war. Zuweilen
trug er den schlafenden verhüllten Engel in die fri¬
sche Luft und in die beseelten Sonnenstrahlen her¬

trinken wollte, ſo ſieht man wohl, daß er klein,
wie Guſtav groß gezogen werden ſollte, weil
er der netteſte ſchwaͤrzeſte — Pudel war, der je¬
mals uͤber der Erde mit einer weißen Bruſt herum¬
geſprungen war. Dieſer verſtaͤndige Hund und Mit¬
arbeiter loͤſete den Oberlehrer oft in Spielen ab;
zweitens konnten die meiſten Tugenden nicht ſowol
von als an ihm durch Guſtav ausgeuͤbt werden
und er hielt dazu die noͤthigen ungleichnami¬
gen
Laſter bereit — im Schlaf biß der Schulkolle¬
ge leicht um ſich nach lebendigen Beinen im Wa¬
chen nach abgezauſeten.

In dieſem unterirrdiſchen Amerika hatten die
drei Antipoden ihren Tag, d. h. es war ein Licht an¬
gezuͤndet, wenns oben bei uns Nacht war — Nacht
d. h. Schlaf hatten ſie, wenn bei uns die Sonne
ſchien. Der ſchoͤne Genius hatte des aͤußern Laͤrms
und ſeiner Tagsausfluͤge wegen es ſo eingerichtet.
Der Kleine lag dann unten in ſeiner Karthauſe,
waͤhrend ſein Lehrer Luft und Menſchen genoß,
mit zugeſchnuͤrten Augen, weil dem Zufall
und der Kellerthuͤr nicht zu trauen war. Zuweilen
trug er den ſchlafenden verhuͤllten Engel in die fri¬
ſche Luft und in die beſeelten Sonnenſtrahlen her¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0083" n="47"/>
trinken wollte, &#x017F;o &#x017F;ieht man wohl, daß er <hi rendition="#g">klein</hi>,<lb/>
wie Gu&#x017F;tav <hi rendition="#g">groß gezogen</hi> werden &#x017F;ollte, weil<lb/>
er der nette&#x017F;te &#x017F;chwa&#x0364;rze&#x017F;te &#x2014; Pudel war, der je¬<lb/>
mals u&#x0364;ber der Erde mit einer weißen Bru&#x017F;t herum¬<lb/>
ge&#x017F;prungen war. Die&#x017F;er ver&#x017F;ta&#x0364;ndige Hund und Mit¬<lb/>
arbeiter lo&#x0364;&#x017F;ete den Oberlehrer oft in Spielen ab;<lb/>
zweitens konnten die mei&#x017F;ten Tugenden nicht &#x017F;owol<lb/><hi rendition="#g">von</hi> als <hi rendition="#g">an</hi> ihm durch Gu&#x017F;tav ausgeu&#x0364;bt werden<lb/>
und er hielt dazu die no&#x0364;thigen <hi rendition="#g">ungleichnami¬<lb/>
gen</hi> La&#x017F;ter bereit &#x2014; im Schlaf biß der Schulkolle¬<lb/>
ge leicht um &#x017F;ich nach lebendigen Beinen im Wa¬<lb/>
chen nach abgezau&#x017F;eten.</p><lb/>
          <p>In die&#x017F;em unterirrdi&#x017F;chen Amerika hatten die<lb/>
drei Antipoden ihren Tag, d. h. es war ein Licht an¬<lb/>
gezu&#x0364;ndet, wenns oben bei uns Nacht war &#x2014; Nacht<lb/>
d. h. Schlaf hatten &#x017F;ie, wenn bei uns die Sonne<lb/>
&#x017F;chien. Der &#x017F;cho&#x0364;ne Genius hatte des a&#x0364;ußern La&#x0364;rms<lb/>
und &#x017F;einer Tagsausflu&#x0364;ge wegen es &#x017F;o eingerichtet.<lb/>
Der Kleine lag dann unten in &#x017F;einer Karthau&#x017F;e,<lb/>
wa&#x0364;hrend &#x017F;ein Lehrer Luft und Men&#x017F;chen genoß<choice><sic>.</sic><corr>,</corr></choice><lb/>
mit <hi rendition="#g">zuge&#x017F;chnu&#x0364;rten</hi> Augen, weil dem Zufall<lb/>
und der Kellerthu&#x0364;r nicht zu trauen war. Zuweilen<lb/>
trug er den &#x017F;chlafenden verhu&#x0364;llten Engel in die fri¬<lb/>
&#x017F;che Luft und in die be&#x017F;eelten Sonnen&#x017F;trahlen her¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0083] trinken wollte, ſo ſieht man wohl, daß er klein, wie Guſtav groß gezogen werden ſollte, weil er der netteſte ſchwaͤrzeſte — Pudel war, der je¬ mals uͤber der Erde mit einer weißen Bruſt herum¬ geſprungen war. Dieſer verſtaͤndige Hund und Mit¬ arbeiter loͤſete den Oberlehrer oft in Spielen ab; zweitens konnten die meiſten Tugenden nicht ſowol von als an ihm durch Guſtav ausgeuͤbt werden und er hielt dazu die noͤthigen ungleichnami¬ gen Laſter bereit — im Schlaf biß der Schulkolle¬ ge leicht um ſich nach lebendigen Beinen im Wa¬ chen nach abgezauſeten. In dieſem unterirrdiſchen Amerika hatten die drei Antipoden ihren Tag, d. h. es war ein Licht an¬ gezuͤndet, wenns oben bei uns Nacht war — Nacht d. h. Schlaf hatten ſie, wenn bei uns die Sonne ſchien. Der ſchoͤne Genius hatte des aͤußern Laͤrms und ſeiner Tagsausfluͤge wegen es ſo eingerichtet. Der Kleine lag dann unten in ſeiner Karthauſe, waͤhrend ſein Lehrer Luft und Menſchen genoß, mit zugeſchnuͤrten Augen, weil dem Zufall und der Kellerthuͤr nicht zu trauen war. Zuweilen trug er den ſchlafenden verhuͤllten Engel in die fri¬ ſche Luft und in die beſeelten Sonnenſtrahlen her¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/83
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/83>, abgerufen am 04.12.2024.