Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

schlug eine die Mittelstraße der Gleichgültigkeit ein:
so bemerkt' er: "die Weiber wüßten sich so gut zu
verstellen, daß sie nur der Satan oder die Liebe
errathen könnte." Es war ihm unmöglich, so vie¬
le Weiber, die in die Rotunda seines Herzens
wollten, darin unterzubringen: daher steckt' er
den Ueberschuß so zu sagen in den Herzbeutel,
worin das Herz auch hängt, wie in einen Ver¬
schlag hinein -- mit andern Worten, er verlegte
den Schauplatz der Liebe vom Herzen aufs Papier
und erfand eine dem Brief- und Papier-Adel ähn¬
liche Brief- und Papier-Liebe. Ich habe vie¬
le solche chiromantische Temperamentsblätter von
ihm in Händen gehabt, wo er wie Schmetterlinge
bloß auf -- poetischen Blumen Liebe treibt -- gan¬
ze Rotuln von solcheln Madrigalen und anakreonti¬
schen Gedichten an Damen, die die Madrigale,
nicht die Damen so wohl die Süßigkeit als die
Kälte der Geleen haben. So ist der Hr. v. Oefel
und fast die ganze belletristische Kompagnie.

Da man nur vor Leuten, vor denen man
nicht roth wird, sich selber lobt, vor gemeinen,
vor Bedienten, Weib und Kindern; und da ers
gegen Gustav im Punkte der Liebe that: so war seine

ſchlug eine die Mittelſtraße der Gleichguͤltigkeit ein:
ſo bemerkt' er: „die Weiber wuͤßten ſich ſo gut zu
verſtellen, daß ſie nur der Satan oder die Liebe
errathen koͤnnte.“ Es war ihm unmoͤglich, ſo vie¬
le Weiber, die in die Rotunda ſeines Herzens
wollten, darin unterzubringen: daher ſteckt' er
den Ueberſchuß ſo zu ſagen in den Herzbeutel,
worin das Herz auch haͤngt, wie in einen Ver¬
ſchlag hinein — mit andern Worten, er verlegte
den Schauplatz der Liebe vom Herzen aufs Papier
und erfand eine dem Brief- und Papier-Adel aͤhn¬
liche Brief- und Papier-Liebe. Ich habe vie¬
le ſolche chiromantiſche Temperamentsblaͤtter von
ihm in Haͤnden gehabt, wo er wie Schmetterlinge
bloß auf — poetiſchen Blumen Liebe treibt — gan¬
ze Rotuln von ſolcheln Madrigalen und anakreonti¬
ſchen Gedichten an Damen, die die Madrigale,
nicht die Damen ſo wohl die Suͤßigkeit als die
Kaͤlte der Geleen haben. So iſt der Hr. v. Oefel
und faſt die ganze belletriſtiſche Kompagnie.

Da man nur vor Leuten, vor denen man
nicht roth wird, ſich ſelber lobt, vor gemeinen,
vor Bedienten, Weib und Kindern; und da ers
gegen Guſtav im Punkte der Liebe that: ſo war ſeine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0169" n="159"/>
&#x017F;chlug eine die Mittel&#x017F;traße der Gleichgu&#x0364;ltigkeit ein:<lb/>
&#x017F;o bemerkt' er: &#x201E;die Weiber wu&#x0364;ßten &#x017F;ich &#x017F;o gut zu<lb/>
ver&#x017F;tellen, daß &#x017F;ie nur der Satan oder die Liebe<lb/>
errathen ko&#x0364;nnte.&#x201C; Es war ihm unmo&#x0364;glich, &#x017F;o vie¬<lb/>
le Weiber, die in die <hi rendition="#g">Rotunda</hi> &#x017F;eines Herzens<lb/>
wollten, darin unterzubringen: daher &#x017F;teckt' er<lb/>
den Ueber&#x017F;chuß &#x017F;o zu &#x017F;agen in den <hi rendition="#g">Herzbeutel</hi>,<lb/>
worin das Herz auch ha&#x0364;ngt, wie in einen Ver¬<lb/>
&#x017F;chlag hinein &#x2014; mit andern Worten, er verlegte<lb/>
den Schauplatz der Liebe vom Herzen aufs Papier<lb/>
und erfand eine dem Brief- und Papier-Adel a&#x0364;hn¬<lb/>
liche <hi rendition="#g">Brief-</hi> und <hi rendition="#g">Papier-Liebe</hi>. Ich habe vie¬<lb/>
le &#x017F;olche chiromanti&#x017F;che Temperamentsbla&#x0364;tter von<lb/>
ihm in Ha&#x0364;nden <choice><sic>gehadt</sic><corr>gehabt</corr></choice>, wo er wie Schmetterlinge<lb/>
bloß auf &#x2014; poeti&#x017F;chen Blumen Liebe treibt &#x2014; gan¬<lb/>
ze Rotuln von &#x017F;olcheln Madrigalen und anakreonti¬<lb/>
&#x017F;chen Gedichten an Damen, die die Madrigale,<lb/>
nicht die Damen &#x017F;o wohl die <hi rendition="#g">Su&#x0364;ßigkeit</hi> als die<lb/><hi rendition="#g">Ka&#x0364;lte</hi> der Geleen haben. So i&#x017F;t der Hr. v. Oefel<lb/>
und fa&#x017F;t die ganze belletri&#x017F;ti&#x017F;che Kompagnie.</p><lb/>
          <p>Da man nur vor Leuten, vor denen man<lb/>
nicht roth wird, &#x017F;ich &#x017F;elber lobt, vor gemeinen,<lb/>
vor Bedienten, Weib und Kindern; und da ers<lb/>
gegen Gu&#x017F;tav im Punkte der Liebe that: &#x017F;o war &#x017F;eine<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[159/0169] ſchlug eine die Mittelſtraße der Gleichguͤltigkeit ein: ſo bemerkt' er: „die Weiber wuͤßten ſich ſo gut zu verſtellen, daß ſie nur der Satan oder die Liebe errathen koͤnnte.“ Es war ihm unmoͤglich, ſo vie¬ le Weiber, die in die Rotunda ſeines Herzens wollten, darin unterzubringen: daher ſteckt' er den Ueberſchuß ſo zu ſagen in den Herzbeutel, worin das Herz auch haͤngt, wie in einen Ver¬ ſchlag hinein — mit andern Worten, er verlegte den Schauplatz der Liebe vom Herzen aufs Papier und erfand eine dem Brief- und Papier-Adel aͤhn¬ liche Brief- und Papier-Liebe. Ich habe vie¬ le ſolche chiromantiſche Temperamentsblaͤtter von ihm in Haͤnden gehabt, wo er wie Schmetterlinge bloß auf — poetiſchen Blumen Liebe treibt — gan¬ ze Rotuln von ſolcheln Madrigalen und anakreonti¬ ſchen Gedichten an Damen, die die Madrigale, nicht die Damen ſo wohl die Suͤßigkeit als die Kaͤlte der Geleen haben. So iſt der Hr. v. Oefel und faſt die ganze belletriſtiſche Kompagnie. Da man nur vor Leuten, vor denen man nicht roth wird, ſich ſelber lobt, vor gemeinen, vor Bedienten, Weib und Kindern; und da ers gegen Guſtav im Punkte der Liebe that: ſo war ſeine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/169
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/169>, abgerufen am 21.11.2024.