"Aber dein Verdienst -- fuhr er fort -- ist viel leichter zu kurieren. Wenn man dir dreierlei, näm¬ lich deine pathologischen Fieberbilder -- deine Arzeneigläser -- und deine Bücher nimmt: so wird die Krankheit mit drein gegeben. Ich ver¬ gesse immerfort, daß ich wie eine Disputation reden will. Also die Fieberbilder! -- die jämmerlichste Semiotik ist sicherlich nicht die sinesische, sondern die hypochondrische. Deine Krankheit und eine stoische Tugend gleichen sich darin, daß wer eine hat, alle hat. Du standest als eine tragende Pfändersta¬ tue da, der die Pathologie alle ihre Insignien und Schilde aufpackte und umsteckte -- jämmerlich schrit¬ test du herum unter deinem medizinischen Gewehrtra¬ gen und deiner semiotischen Landfracht von Herzpo¬ lypus, mazerierten Lungenflügel, Magen-Insassen u.s.w."
"Ah! jezt ists -- versetzt' ich -- wieder herun¬ ter und ich habe bloß einen Wasserschatz im Kopfe, der mir einen angenehmen Schlagfluß verspricht."
"Grillen hast du im Kopfe: es ist aber so. Im Hypochondristen sind zwar alle Nerven schwach, aber die am schwächsten, die er am meisten gemißbraucht hat. Da man sich diese Schwäche meistens ersitzt,
„Aber dein Verdienſt — fuhr er fort — iſt viel leichter zu kurieren. Wenn man dir dreierlei, naͤm¬ lich deine pathologiſchen Fieberbilder — deine Arzeneiglaͤſer — und deine Buͤcher nimmt: ſo wird die Krankheit mit drein gegeben. Ich ver¬ geſſe immerfort, daß ich wie eine Diſputation reden will. Alſo die Fieberbilder! — die jaͤmmerlichſte Semiotik iſt ſicherlich nicht die ſineſiſche, ſondern die hypochondriſche. Deine Krankheit und eine ſtoiſche Tugend gleichen ſich darin, daß wer eine hat, alle hat. Du ſtandeſt als eine tragende Pfaͤnderſta¬ tue da, der die Pathologie alle ihre Inſignien und Schilde aufpackte und umſteckte — jaͤmmerlich ſchrit¬ teſt du herum unter deinem mediziniſchen Gewehrtra¬ gen und deiner ſemiotiſchen Landfracht von Herzpo¬ lypus, mazerierten Lungenfluͤgel, Magen-Inſaſſen u.ſ.w.“
„Ah! jezt iſts — verſetzt' ich — wieder herun¬ ter und ich habe bloß einen Waſſerſchatz im Kopfe, der mir einen angenehmen Schlagfluß verſpricht.“
„Grillen haſt du im Kopfe: es iſt aber ſo. Im Hypochondriſten ſind zwar alle Nerven ſchwach, aber die am ſchwaͤchſten, die er am meiſten gemißbraucht hat. Da man ſich dieſe Schwaͤche meiſtens erſitzt,
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„Aber dein Verdienſt — fuhr er fort — iſt viel
leichter zu kurieren. Wenn man dir dreierlei, naͤm¬
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Arzeneiglaͤſer — und deine Buͤcher nimmt:
ſo wird die Krankheit mit drein gegeben. Ich ver¬
geſſe immerfort, daß ich wie eine Diſputation reden
will. Alſo die Fieberbilder! — die jaͤmmerlichſte
Semiotik iſt ſicherlich nicht die ſineſiſche, ſondern die
hypochondriſche. Deine Krankheit und eine ſtoiſche
Tugend gleichen ſich darin, daß wer eine hat, alle
hat. Du ſtandeſt als eine tragende Pfaͤnderſta¬
tue da, der die Pathologie alle ihre Inſignien und
Schilde aufpackte und umſteckte — jaͤmmerlich ſchrit¬
teſt du herum unter deinem mediziniſchen Gewehrtra¬
gen und deiner ſemiotiſchen Landfracht von Herzpo¬
lypus, mazerierten Lungenfluͤgel, Magen-Inſaſſen
u.ſ.w.“
„Ah! jezt iſts — verſetzt' ich — wieder herun¬
ter und ich habe bloß einen Waſſerſchatz im Kopfe,
der mir einen angenehmen Schlagfluß verſpricht.“
„Grillen haſt du im Kopfe: es iſt aber ſo. Im
Hypochondriſten ſind zwar alle Nerven ſchwach, aber
die am ſchwaͤchſten, die er am meiſten gemißbraucht
hat. Da man ſich dieſe Schwaͤche meiſtens erſitzt,
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/280>, abgerufen am 22.11.2024.
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