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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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erstudiert und erschreibt und mithin gerade dem Un¬
terleib, der doch der Moloch dieser Geisteskinder seyn
soll, alle die Bewegung nimmt, die man den Fin¬
gern giebt: so vermengt man den siechen Unterleib
mit siechen Nerven und hoft, Kämpfs Viszeral-
Sprütze sei zugleich eine Doppelflinte gegen jenen
und gegen diese. Glaub' es aber nicht; es kann ein
hypochondrisches Bruststück auf einem rüstigen Mo¬
biliar-Unterleib sitzen. Nicht deine Lungenflügel
sind zerknickt, wenn sie zuweilen erschlaffen, son¬
dern deine Lungennerven sind entseelt, von denen
sie gehoben werden oder auch deine Zwergfells-
Nerven; -- spannen sich deine Magennerven ab,
so hast du so viel Schwindel und Eckel als läge
wirklich diätetischer Bodensatz im Magen oder ir¬
gend eine Adern-Fluth im Kopfe. Sogar der
schwache Magen ist nicht immer im Gefolge schwa¬
cher Nerven. -- Dein Herbst-Kolorit, deine
fleischlose Knochen-Versteinerung, dein aufhören¬
der Puls, so gar deine Ohnmachten haben -- nichts
zu sagen, mein lieber Paul!

"Ei! den Henker! sagte der Patient!"

"Denn, sagte der Doktor, da alles durch
Nerven, wovon oft Gelehrte nicht einmal die De¬

erſtudiert und erſchreibt und mithin gerade dem Un¬
terleib, der doch der Moloch dieſer Geiſteskinder ſeyn
ſoll, alle die Bewegung nimmt, die man den Fin¬
gern giebt: ſo vermengt man den ſiechen Unterleib
mit ſiechen Nerven und hoft, Kaͤmpfs Viszeral-
Spruͤtze ſei zugleich eine Doppelflinte gegen jenen
und gegen dieſe. Glaub' es aber nicht; es kann ein
hypochondriſches Bruſtſtuͤck auf einem ruͤſtigen Mo¬
biliar-Unterleib ſitzen. Nicht deine Lungenfluͤgel
ſind zerknickt, wenn ſie zuweilen erſchlaffen, ſon¬
dern deine Lungennerven ſind entſeelt, von denen
ſie gehoben werden oder auch deine Zwergfells-
Nerven; — ſpannen ſich deine Magennerven ab,
ſo haſt du ſo viel Schwindel und Eckel als laͤge
wirklich diaͤtetiſcher Bodenſatz im Magen oder ir¬
gend eine Adern-Fluth im Kopfe. Sogar der
ſchwache Magen iſt nicht immer im Gefolge ſchwa¬
cher Nerven. — Dein Herbſt-Kolorit, deine
fleiſchloſe Knochen-Verſteinerung, dein aufhoͤren¬
der Puls, ſo gar deine Ohnmachten haben — nichts
zu ſagen, mein lieber Paul!

„Ei! den Henker! ſagte der Patient!“

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[271/0281] erſtudiert und erſchreibt und mithin gerade dem Un¬ terleib, der doch der Moloch dieſer Geiſteskinder ſeyn ſoll, alle die Bewegung nimmt, die man den Fin¬ gern giebt: ſo vermengt man den ſiechen Unterleib mit ſiechen Nerven und hoft, Kaͤmpfs Viszeral- Spruͤtze ſei zugleich eine Doppelflinte gegen jenen und gegen dieſe. Glaub' es aber nicht; es kann ein hypochondriſches Bruſtſtuͤck auf einem ruͤſtigen Mo¬ biliar-Unterleib ſitzen. Nicht deine Lungenfluͤgel ſind zerknickt, wenn ſie zuweilen erſchlaffen, ſon¬ dern deine Lungennerven ſind entſeelt, von denen ſie gehoben werden oder auch deine Zwergfells- Nerven; — ſpannen ſich deine Magennerven ab, ſo haſt du ſo viel Schwindel und Eckel als laͤge wirklich diaͤtetiſcher Bodenſatz im Magen oder ir¬ gend eine Adern-Fluth im Kopfe. Sogar der ſchwache Magen iſt nicht immer im Gefolge ſchwa¬ cher Nerven. — Dein Herbſt-Kolorit, deine fleiſchloſe Knochen-Verſteinerung, dein aufhoͤren¬ der Puls, ſo gar deine Ohnmachten haben — nichts zu ſagen, mein lieber Paul! „Ei! den Henker! ſagte der Patient!“ „Denn, ſagte der Doktor, da alles durch Nerven, wovon oft Gelehrte nicht einmal die De¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/281>, abgerufen am 22.11.2024.