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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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er den Koch und vozierte den Alumnus, der bis¬
her so gescheut gewesen, daß er verliebt geblieben.

Ich steuere mich ganz auf die rühmliche Testi¬
monien, die ich in Händen habe und die Wuz vom
Superintendenten auswirkte, weil sein Examen
vielleicht eines der rigorösesten und glücklichsten war
die ich neueren Zeiten noch gehöret. Muste nicht
Wuz das griechische Vater unser vorbeten, indeß
das Examinations-Kollegium seine sammtnen Ho¬
sen mit einer Glaßbürste auskämmte? -- und her¬
nach das lateinische Symbolum Athanasie? konnt'
er nicht die Bücher der Biebel richtig und Mann
für Mann vorzählen, ohne über die gemalten Blu¬
men und Tassen auf dem Kaffeebrette seines Exa¬
minators zu stolpern? must' er nicht einen Bettel¬
jungen, der bloß auf einen Pfennig aufsah, her¬
umkatechesieren, ob gleich der Junge gar nicht wie
sein Unter-Examinator bestand sondern wie ein
wahres Stückgen Vieh? must' er nicht seine Fin¬
gerspitzen in fünf Töpfe warmes Wasser tunken
und den Topf aussuchen, dessen Wasser warm
und kalt genug für den Kopf eines Täuflings war?
und must' er nicht zuletzt drei Gulden und 36 Kreu¬
zer erlegen?

er den Koch und vozierte den Alumnus, der bis¬
her ſo geſcheut geweſen, daß er verliebt geblieben.

Ich ſteuere mich ganz auf die ruͤhmliche Teſti¬
monien, die ich in Haͤnden habe und die Wuz vom
Superintendenten auswirkte, weil ſein Examen
vielleicht eines der rigoroͤſeſten und gluͤcklichſten war
die ich neueren Zeiten noch gehoͤret. Muſte nicht
Wuz das griechiſche Vater unſer vorbeten, indeß
das Examinations-Kollegium ſeine ſammtnen Ho¬
ſen mit einer Glaßbuͤrſte auskaͤmmte? — und her¬
nach das lateiniſche Symbolum Athanaſie? konnt'
er nicht die Buͤcher der Biebel richtig und Mann
fuͤr Mann vorzaͤhlen, ohne uͤber die gemalten Blu¬
men und Taſſen auf dem Kaffeebrette ſeines Exa¬
minators zu ſtolpern? muſt' er nicht einen Bettel¬
jungen, der bloß auf einen Pfennig aufſah, her¬
umkatecheſieren, ob gleich der Junge gar nicht wie
ſein Unter-Examinator beſtand ſondern wie ein
wahres Stuͤckgen Vieh? muſt' er nicht ſeine Fin¬
gerſpitzen in fuͤnf Toͤpfe warmes Waſſer tunken
und den Topf ausſuchen, deſſen Waſſer warm
und kalt genug fuͤr den Kopf eines Taͤuflings war?
und muſt' er nicht zuletzt drei Gulden und 36 Kreu¬
zer erlegen?

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[402/0412] er den Koch und vozierte den Alumnus, der bis¬ her ſo geſcheut geweſen, daß er verliebt geblieben. Ich ſteuere mich ganz auf die ruͤhmliche Teſti¬ monien, die ich in Haͤnden habe und die Wuz vom Superintendenten auswirkte, weil ſein Examen vielleicht eines der rigoroͤſeſten und gluͤcklichſten war die ich neueren Zeiten noch gehoͤret. Muſte nicht Wuz das griechiſche Vater unſer vorbeten, indeß das Examinations-Kollegium ſeine ſammtnen Ho¬ ſen mit einer Glaßbuͤrſte auskaͤmmte? — und her¬ nach das lateiniſche Symbolum Athanaſie? konnt' er nicht die Buͤcher der Biebel richtig und Mann fuͤr Mann vorzaͤhlen, ohne uͤber die gemalten Blu¬ men und Taſſen auf dem Kaffeebrette ſeines Exa¬ minators zu ſtolpern? muſt' er nicht einen Bettel¬ jungen, der bloß auf einen Pfennig aufſah, her¬ umkatecheſieren, ob gleich der Junge gar nicht wie ſein Unter-Examinator beſtand ſondern wie ein wahres Stuͤckgen Vieh? muſt' er nicht ſeine Fin¬ gerſpitzen in fuͤnf Toͤpfe warmes Waſſer tunken und den Topf ausſuchen, deſſen Waſſer warm und kalt genug fuͤr den Kopf eines Taͤuflings war? und muſt' er nicht zuletzt drei Gulden und 36 Kreu¬ zer erlegen?

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/412>, abgerufen am 22.11.2024.