Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

hab' ich dich, wie ewig lieb." Vom Flusse klang
es herab wie Flötengetön und Menschengesang und
zog näher: ausser sich drückt' er sich an sie an und
wollte vereinigt vergehen und glaubte, die Him¬
melstöne hauchten ihre beiden Seelen aus der Er¬
de weg und dufteten sie wie Thaufunken auf den
Auen Edens nieder. Es sang:

O wie schön ist Gottes Erde
Und werth darauf vergnügt zu seyn!
D'rum will ich bis ich Asche werde
Mich dieser schönen Erde freu'n.

Es war aus der Stadt eine Gondel mit eini¬
gen Flöten und singenden Jünglingen. Er und sie
giengen am Ufer mit der ziehenden Gondel und hiel¬
ten ihre Hände gefaßt und Justine suchte leise nach¬
zusingen und der Himmel und die Entzückung gien¬
gen neben ihnen. Als die Gondel um eine Erdzun¬
ge voll Bäume herumschifte: hielt Justine ihn sanft
an, damit sie nicht nachkämen und da das Fahr¬
zeug darhinter verschwunden war, fiel sie ihm mit
dem ersten erröthenden Kusse um den Hals . . . .
O unvergeßlicher erster Junius! schreibt er. -- Sie
begleiteten und belauschten von weitem die schiffen¬
den Töne; und Träume spielten um beide bis sie

hab' ich dich, wie ewig lieb.“ Vom Fluſſe klang
es herab wie Floͤtengetoͤn und Menſchengeſang und
zog naͤher: auſſer ſich druͤckt' er ſich an ſie an und
wollte vereinigt vergehen und glaubte, die Him¬
melstoͤne hauchten ihre beiden Seelen aus der Er¬
de weg und dufteten ſie wie Thaufunken auf den
Auen Edens nieder. Es ſang:

O wie ſchoͤn iſt Gottes Erde
Und werth darauf vergnuͤgt zu ſeyn!
D'rum will ich bis ich Aſche werde
Mich dieſer ſchoͤnen Erde freu'n.

Es war aus der Stadt eine Gondel mit eini¬
gen Floͤten und ſingenden Juͤnglingen. Er und ſie
giengen am Ufer mit der ziehenden Gondel und hiel¬
ten ihre Haͤnde gefaßt und Juſtine ſuchte leiſe nach¬
zuſingen und der Himmel und die Entzuͤckung gien¬
gen neben ihnen. Als die Gondel um eine Erdzun¬
ge voll Baͤume herumſchifte: hielt Juſtine ihn ſanft
an, damit ſie nicht nachkaͤmen und da das Fahr¬
zeug darhinter verſchwunden war, fiel ſie ihm mit
dem erſten erroͤthenden Kuſſe um den Hals . . . .
O unvergeßlicher erſter Junius! ſchreibt er. — Sie
begleiteten und belauſchten von weitem die ſchiffen¬
den Toͤne; und Traͤume ſpielten um beide bis ſie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0424" n="414"/>
hab' ich dich, wie ewig lieb.&#x201C; Vom Flu&#x017F;&#x017F;e klang<lb/>
es herab wie Flo&#x0364;tengeto&#x0364;n und Men&#x017F;chenge&#x017F;ang und<lb/>
zog na&#x0364;her: au&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ich dru&#x0364;ckt' er &#x017F;ich an &#x017F;ie an und<lb/>
wollte vereinigt vergehen und glaubte, die Him¬<lb/>
melsto&#x0364;ne hauchten ihre beiden Seelen aus der Er¬<lb/>
de weg und dufteten &#x017F;ie wie Thaufunken auf den<lb/>
Auen Edens nieder. Es &#x017F;ang:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>O wie &#x017F;cho&#x0364;n i&#x017F;t Gottes Erde</l><lb/>
            <l>Und werth darauf vergnu&#x0364;gt zu &#x017F;eyn!</l><lb/>
            <l>D'rum will ich bis ich A&#x017F;che werde</l><lb/>
            <l>Mich die&#x017F;er &#x017F;cho&#x0364;nen Erde freu'n.</l><lb/>
          </lg>
          <p>Es war aus der Stadt eine Gondel mit eini¬<lb/>
gen Flo&#x0364;ten und &#x017F;ingenden Ju&#x0364;nglingen. Er und &#x017F;ie<lb/>
giengen am Ufer mit der ziehenden Gondel und hiel¬<lb/>
ten ihre Ha&#x0364;nde gefaßt und Ju&#x017F;tine &#x017F;uchte lei&#x017F;e nach¬<lb/>
zu&#x017F;ingen und der Himmel und die Entzu&#x0364;ckung gien¬<lb/>
gen neben ihnen. Als die Gondel um eine Erdzun¬<lb/>
ge voll Ba&#x0364;ume herum&#x017F;chifte: hielt Ju&#x017F;tine ihn &#x017F;anft<lb/>
an, damit &#x017F;ie nicht nachka&#x0364;men und da das Fahr¬<lb/>
zeug darhinter ver&#x017F;chwunden war, fiel &#x017F;ie ihm mit<lb/>
dem er&#x017F;ten erro&#x0364;thenden Ku&#x017F;&#x017F;e um den Hals . . . .<lb/>
O unvergeßlicher er&#x017F;ter Junius! &#x017F;chreibt er. &#x2014; Sie<lb/>
begleiteten und belau&#x017F;chten von weitem die &#x017F;chiffen¬<lb/>
den To&#x0364;ne; und Tra&#x0364;ume &#x017F;pielten um beide bis &#x017F;ie<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[414/0424] hab' ich dich, wie ewig lieb.“ Vom Fluſſe klang es herab wie Floͤtengetoͤn und Menſchengeſang und zog naͤher: auſſer ſich druͤckt' er ſich an ſie an und wollte vereinigt vergehen und glaubte, die Him¬ melstoͤne hauchten ihre beiden Seelen aus der Er¬ de weg und dufteten ſie wie Thaufunken auf den Auen Edens nieder. Es ſang: O wie ſchoͤn iſt Gottes Erde Und werth darauf vergnuͤgt zu ſeyn! D'rum will ich bis ich Aſche werde Mich dieſer ſchoͤnen Erde freu'n. Es war aus der Stadt eine Gondel mit eini¬ gen Floͤten und ſingenden Juͤnglingen. Er und ſie giengen am Ufer mit der ziehenden Gondel und hiel¬ ten ihre Haͤnde gefaßt und Juſtine ſuchte leiſe nach¬ zuſingen und der Himmel und die Entzuͤckung gien¬ gen neben ihnen. Als die Gondel um eine Erdzun¬ ge voll Baͤume herumſchifte: hielt Juſtine ihn ſanft an, damit ſie nicht nachkaͤmen und da das Fahr¬ zeug darhinter verſchwunden war, fiel ſie ihm mit dem erſten erroͤthenden Kuſſe um den Hals . . . . O unvergeßlicher erſter Junius! ſchreibt er. — Sie begleiteten und belauſchten von weitem die ſchiffen¬ den Toͤne; und Traͤume ſpielten um beide bis ſie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/424
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/424>, abgerufen am 16.06.2024.