antanzest, indem die Mutter das andre Ende hält) und das Zopfband glatt umhaben noch zwei völlige Stunden vor dem Läuten. Gern gäb' ich den Gro߬ vaterstuhl und Ofen, deren Assessor ich bin, gratis hin, wenn ich mich und meine Zuhörerschaft jetzt zu transparenten Sylphiden zu verdünnen wüßte; da¬ mit unsere ganze Brüderschaft dem zappelnden Bräu¬ tigam ohne Stöhrung seiner stillen Freude in den Garten nachflöge, wo er für ein weibliches Herz, das weder ein diamantnes noch ein welsches ist, auch keine Blumen, die es sind, abschneidet sondern le¬ bende -- wo er die blitzenden Käfer und Thautropfen aus den Blumenblättern schüttelt und gern auf den Bienenrüssel wartet, den zum letztenmale der mütter¬ liche Blumenbusen säuget -- wo er an seine Knaben- Sonntagsmorgen denkt und an den zu engen Schritt über die Beete und an das kalte Kanzelpult, dem der Senior sein Bouquet gab. Gehe nach Haus, Sohn deines Antezessors, und schaue am achten Ju¬ nius dich nicht gegen Abend um, wo der stumme sechs Fuß dicke Gottesacker über manchen Freunden liegt, sondern gegen Morgen wo du die Sonne, die Pfarr¬ thüre und deine hineinschlüpfende Justine sehen kannst, die die Frau Pathin nett ausfrisiren und einschnüren
antanzeſt, indem die Mutter das andre Ende haͤlt) und das Zopfband glatt umhaben noch zwei voͤllige Stunden vor dem Laͤuten. Gern gaͤb' ich den Gro߬ vaterſtuhl und Ofen, deren Aſſeſſor ich bin, gratis hin, wenn ich mich und meine Zuhoͤrerſchaft jetzt zu tranſparenten Sylphiden zu verduͤnnen wuͤßte; da¬ mit unſere ganze Bruͤderſchaft dem zappelnden Braͤu¬ tigam ohne Stoͤhrung ſeiner ſtillen Freude in den Garten nachfloͤge, wo er fuͤr ein weibliches Herz, das weder ein diamantnes noch ein welſches iſt, auch keine Blumen, die es ſind, abſchneidet ſondern le¬ bende — wo er die blitzenden Kaͤfer und Thautropfen aus den Blumenblaͤttern ſchuͤttelt und gern auf den Bienenruͤſſel wartet, den zum letztenmale der muͤtter¬ liche Blumenbuſen ſaͤuget — wo er an ſeine Knaben- Sonntagsmorgen denkt und an den zu engen Schritt uͤber die Beete und an das kalte Kanzelpult, dem der Senior ſein Bouquet gab. Gehe nach Haus, Sohn deines Antezeſſors, und ſchaue am achten Ju¬ nius dich nicht gegen Abend um, wo der ſtumme ſechs Fuß dicke Gottesacker uͤber manchen Freunden liegt, ſondern gegen Morgen wo du die Sonne, die Pfarr¬ thuͤre und deine hineinſchluͤpfende Juſtine ſehen kannſt, die die Frau Pathin nett ausfriſiren und einſchnuͤren
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antanzeſt, indem die Mutter das andre Ende haͤlt)
und das Zopfband glatt umhaben noch zwei voͤllige
Stunden vor dem Laͤuten. Gern gaͤb' ich den Gro߬
vaterſtuhl und Ofen, deren Aſſeſſor ich bin, gratis
hin, wenn ich mich und meine Zuhoͤrerſchaft jetzt zu
tranſparenten Sylphiden zu verduͤnnen wuͤßte; da¬
mit unſere ganze Bruͤderſchaft dem zappelnden Braͤu¬
tigam ohne Stoͤhrung ſeiner ſtillen Freude in den
Garten nachfloͤge, wo er fuͤr ein weibliches Herz,
das weder ein diamantnes noch ein welſches iſt, auch
keine Blumen, die es ſind, abſchneidet ſondern le¬
bende — wo er die blitzenden Kaͤfer und Thautropfen
aus den Blumenblaͤttern ſchuͤttelt und gern auf den
Bienenruͤſſel wartet, den zum letztenmale der muͤtter¬
liche Blumenbuſen ſaͤuget — wo er an ſeine Knaben-
Sonntagsmorgen denkt und an den zu engen Schritt
uͤber die Beete und an das kalte Kanzelpult, dem
der Senior ſein Bouquet gab. Gehe nach Haus,
Sohn deines Antezeſſors, und ſchaue am achten Ju¬
nius dich nicht gegen Abend um, wo der ſtumme ſechs
Fuß dicke Gottesacker uͤber manchen Freunden liegt,
ſondern gegen Morgen wo du die Sonne, die Pfarr¬
thuͤre und deine hineinſchluͤpfende Juſtine ſehen kannſt,
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/433>, abgerufen am 22.11.2024.
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