die jene Stürme an uns werfen -- und wäre die blitzende Göttin der Freude so nahe an meinem Busen gestanden: so hätt' ich doch auf jene Aschen¬ häufgen hinüber gesehen, zu denen sie mit ihrer Umarmung, gebürtig aus der Sonne und nicht aus unsern Eiszonen, schon die armen Menschen verkalkte -- und o wenn mich schon die vorige Be¬ schreibung eines großen Vergnügens so traurig zu¬ rück ließ: so müst' ich, wenn erst du, aus unge¬ messenen Höhen in die tiefe Erde hereinreichende Hand! mir eines, wie eine Blume auf einer Son¬ ne gewachsen, hernieder brächtest, auf diese Va¬ terhand die Tropfen der Freude fallen lassen und mich mit dem zu schwachen Auge von den Men¬ schen wegwenden . . . . .
Jezt da ich dieses sage, ist Wuzens Hochzeit längst vorbei, seine Justine ist alt und er selber auf dem Gottesacker; der Strom der Zeit hat ihn und alle diese schimmernden Tage unter vier-fünf¬ fache Schichten Bodensatz gedrückt und begraben -- auch an uns steigt dieser beerdigende Niederschlag immer höher auf, in drei Minuten erreicht er das Herz und überschlichtet mich und euch.
die jene Stuͤrme an uns werfen — und waͤre die blitzende Goͤttin der Freude ſo nahe an meinem Buſen geſtanden: ſo haͤtt' ich doch auf jene Aſchen¬ haͤufgen hinuͤber geſehen, zu denen ſie mit ihrer Umarmung, gebuͤrtig aus der Sonne und nicht aus unſern Eiszonen, ſchon die armen Menſchen verkalkte — und o wenn mich ſchon die vorige Be¬ ſchreibung eines großen Vergnuͤgens ſo traurig zu¬ ruͤck ließ: ſo muͤſt' ich, wenn erſt du, aus unge¬ meſſenen Hoͤhen in die tiefe Erde hereinreichende Hand! mir eines, wie eine Blume auf einer Son¬ ne gewachſen, hernieder braͤchteſt, auf dieſe Va¬ terhand die Tropfen der Freude fallen laſſen und mich mit dem zu ſchwachen Auge von den Men¬ ſchen wegwenden . . . . .
Jezt da ich dieſes ſage, iſt Wuzens Hochzeit laͤngſt vorbei, ſeine Juſtine iſt alt und er ſelber auf dem Gottesacker; der Strom der Zeit hat ihn und alle dieſe ſchimmernden Tage unter vier-fuͤnf¬ fache Schichten Bodenſatz gedruͤckt und begraben — auch an uns ſteigt dieſer beerdigende Niederſchlag immer hoͤher auf, in drei Minuten erreicht er das Herz und uͤberſchlichtet mich und euch.
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die jene Stuͤrme an uns werfen — und waͤre die
blitzende Goͤttin der Freude ſo nahe an meinem
Buſen geſtanden: ſo haͤtt' ich doch auf jene Aſchen¬
haͤufgen hinuͤber geſehen, zu denen ſie mit ihrer
Umarmung, gebuͤrtig aus der Sonne und nicht
aus unſern Eiszonen, ſchon die armen Menſchen
verkalkte — und o wenn mich ſchon die vorige Be¬
ſchreibung eines großen Vergnuͤgens ſo traurig zu¬
ruͤck ließ: ſo muͤſt' ich, wenn erſt du, aus unge¬
meſſenen Hoͤhen in die tiefe Erde hereinreichende
Hand! mir eines, wie eine Blume auf einer Son¬
ne gewachſen, hernieder braͤchteſt, auf dieſe Va¬
terhand die Tropfen der Freude fallen laſſen und
mich mit dem zu ſchwachen Auge von den Men¬
ſchen wegwenden . . . . .
Jezt da ich dieſes ſage, iſt Wuzens Hochzeit
laͤngſt vorbei, ſeine Juſtine iſt alt und er ſelber
auf dem Gottesacker; der Strom der Zeit hat ihn
und alle dieſe ſchimmernden Tage unter vier-fuͤnf¬
fache Schichten Bodenſatz gedruͤckt und begraben —
auch an uns ſteigt dieſer beerdigende Niederſchlag
immer hoͤher auf, in drei Minuten erreicht er das
Herz und uͤberſchlichtet mich und euch.
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/440>, abgerufen am 15.06.2024.
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