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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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meiner Schreibtafel und meinen Narrheiten gewahr
werde. Mich sehe lieber ein Mensch stehen und
schreiben: der wird mild seyn und von seinem eig¬
nen Herzen lernen, die Schwächen eines fremden
tragen; der gebrechliche Mensch wird es fühlen und
vergeben, daß jeder das Nest, worin er sitzt und
quiekt und welches das einzige ist, worüber er mit
Schnabel und H. hinaussticht, für den Fokus des
Universums hält, für eine Frontloge und Rotun¬
da, die sämtlichen Nester aber auf den andern Bäumen
für die Wirthschaftsgebäude seines Fokalnestes: . . .
O ihr guten Menschen! warum ist es möglich, daß
wir uns unter einander auch nur eine halbe Stun¬
de kränken? -- Ach in dieser gefährlichen Dezem¬
ber-Nacht dieses Lebens, mitten in diesem Chaos unbe¬
kannter Wesen, die die Höhe oder Tiefe von uns ent¬
fernt, in dieser verhülleten Welt, in diesen beben¬
den Abenden, die sich um unser zerstäubendes Erd¬
chen legen, wie ist es da möglich, daß der ver¬
lassene Mensch nicht die einzige warme Brust um¬
schlinge, in der ein Herz liegt wie seines und zu
der er sagen kann: "mein Bruder, du bist wie
ich und leidest wie ich und wir können uns lieben."
-- Unbegreiflicher Mensch! du sammelst lieber Dol¬

meiner Schreibtafel und meinen Narrheiten gewahr
werde. Mich ſehe lieber ein Menſch ſtehen und
ſchreiben: der wird mild ſeyn und von ſeinem eig¬
nen Herzen lernen, die Schwaͤchen eines fremden
tragen; der gebrechliche Menſch wird es fuͤhlen und
vergeben, daß jeder das Neſt, worin er ſitzt und
quiekt und welches das einzige iſt, woruͤber er mit
Schnabel und H. hinausſticht, fuͤr den Fokus des
Univerſums haͤlt, fuͤr eine Frontloge und Rotun¬
da, die ſaͤmtlichen Neſter aber auf den andern Baͤumen
fuͤr die Wirthſchaftsgebaͤude ſeines Fokalneſtes: . . .
O ihr guten Menſchen! warum iſt es moͤglich, daß
wir uns unter einander auch nur eine halbe Stun¬
de kraͤnken? — Ach in dieſer gefaͤhrlichen Dezem¬
ber-Nacht dieſes Lebens, mitten in dieſem Chaos unbe¬
kannter Weſen, die die Hoͤhe oder Tiefe von uns ent¬
fernt, in dieſer verhuͤlleten Welt, in dieſen beben¬
den Abenden, die ſich um unſer zerſtaͤubendes Erd¬
chen legen, wie iſt es da moͤglich, daß der ver¬
laſſene Menſch nicht die einzige warme Bruſt um¬
ſchlinge, in der ein Herz liegt wie ſeines und zu
der er ſagen kann: „mein Bruder, du biſt wie
ich und leideſt wie ich und wir koͤnnen uns lieben.“
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[450/0460] meiner Schreibtafel und meinen Narrheiten gewahr werde. Mich ſehe lieber ein Menſch ſtehen und ſchreiben: der wird mild ſeyn und von ſeinem eig¬ nen Herzen lernen, die Schwaͤchen eines fremden tragen; der gebrechliche Menſch wird es fuͤhlen und vergeben, daß jeder das Neſt, worin er ſitzt und quiekt und welches das einzige iſt, woruͤber er mit Schnabel und H. hinausſticht, fuͤr den Fokus des Univerſums haͤlt, fuͤr eine Frontloge und Rotun¬ da, die ſaͤmtlichen Neſter aber auf den andern Baͤumen fuͤr die Wirthſchaftsgebaͤude ſeines Fokalneſtes: . . . O ihr guten Menſchen! warum iſt es moͤglich, daß wir uns unter einander auch nur eine halbe Stun¬ de kraͤnken? — Ach in dieſer gefaͤhrlichen Dezem¬ ber-Nacht dieſes Lebens, mitten in dieſem Chaos unbe¬ kannter Weſen, die die Hoͤhe oder Tiefe von uns ent¬ fernt, in dieſer verhuͤlleten Welt, in dieſen beben¬ den Abenden, die ſich um unſer zerſtaͤubendes Erd¬ chen legen, wie iſt es da moͤglich, daß der ver¬ laſſene Menſch nicht die einzige warme Bruſt um¬ ſchlinge, in der ein Herz liegt wie ſeines und zu der er ſagen kann: „mein Bruder, du biſt wie ich und leideſt wie ich und wir koͤnnen uns lieben.“ — Unbegreiflicher Menſch! du ſammelſt lieber Dol¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/460>, abgerufen am 21.11.2024.