Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

heilige Welt des Homers und des Sophokles
ein; und gieng mit ihm unter die höhern, ganz
entwickelten, von einseitiger ständischer Kultur
noch unverrenkten schöngegliederten Menschen
dieses Zwillings-Prometheus, die wie Salomo
für alles Menschliche, für Lachen, Weinen,
Essen, Fürchten und Hoffen eine Zeit hatten
und die bloß die rohe Gränzenlosigkeit flohen;
die auf den Altären aller Götter opferten, aber
auf dem der Nemesis zuerst. Und Dian --
dessen innerer Mensch ein ganzer war, dem
kein Glied ausgerissen ist, keines aufgeblasen
und alle großgewachsen -- gieng selber als ein
solcher Sophokles-Homerischer Grieche mit dem
Lieblinge um. Er machte ihm -- indeß Weh¬
meier und die Pflegeeltern ihm überall mit
einer Kanzel und einem Kirchenstuhle nachlie¬
fen, bei jedem heftigen Unwillen oder Wunsche
oder Jubel, den er zeigte -- mit schöner libe¬
raler Freiheit Raum, sich breit und hoch zu
entwickeln. Er ehrte am Jünglinge das St. Elms
oder Helenen-Feuer, wie am Greise das Eis;
das Herz kräftiger Menschen, glaubt' er, müsse
wie ein Porzellangefäß anfangs zu groß und

heilige Welt des Homers und des Sophokles
ein; und gieng mit ihm unter die höhern, ganz
entwickelten, von einſeitiger ſtändiſcher Kultur
noch unverrenkten ſchöngegliederten Menſchen
dieſes Zwillings-Prometheus, die wie Salomo
für alles Menſchliche, für Lachen, Weinen,
Eſſen, Fürchten und Hoffen eine Zeit hatten
und die bloß die rohe Gränzenloſigkeit flohen;
die auf den Altären aller Götter opferten, aber
auf dem der Nemeſis zuerſt. Und Dian —
deſſen innerer Menſch ein ganzer war, dem
kein Glied ausgeriſſen iſt, keines aufgeblaſen
und alle großgewachſen — gieng ſelber als ein
ſolcher Sophokles-Homeriſcher Grieche mit dem
Lieblinge um. Er machte ihm — indeß Weh¬
meier und die Pflegeeltern ihm überall mit
einer Kanzel und einem Kirchenſtuhle nachlie¬
fen, bei jedem heftigen Unwillen oder Wunſche
oder Jubel, den er zeigte — mit ſchöner libe¬
raler Freiheit Raum, ſich breit und hoch zu
entwickeln. Er ehrte am Jünglinge das St. Elms
oder Helenen-Feuer, wie am Greiſe das Eis;
das Herz kräftiger Menſchen, glaubt' er, müſſe
wie ein Porzellangefäß anfangs zu groß und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0272" n="252"/>
heilige Welt des Homers und des Sophokles<lb/>
ein; und gieng mit ihm unter die höhern, ganz<lb/>
entwickelten, von ein&#x017F;eitiger &#x017F;tändi&#x017F;cher Kultur<lb/>
noch unverrenkten &#x017F;chöngegliederten Men&#x017F;chen<lb/>
die&#x017F;es Zwillings-Prometheus, die wie Salomo<lb/>
für alles Men&#x017F;chliche, für Lachen, Weinen,<lb/>
E&#x017F;&#x017F;en, Fürchten und Hoffen eine Zeit hatten<lb/>
und die bloß die rohe Gränzenlo&#x017F;igkeit flohen;<lb/>
die auf den Altären aller Götter opferten, aber<lb/>
auf dem der Neme&#x017F;is zuer&#x017F;t. Und Dian &#x2014;<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en innerer Men&#x017F;ch ein ganzer war, dem<lb/>
kein Glied ausgeri&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t, keines aufgebla&#x017F;en<lb/>
und alle großgewach&#x017F;en &#x2014; gieng &#x017F;elber als ein<lb/>
&#x017F;olcher Sophokles-Homeri&#x017F;cher Grieche mit dem<lb/>
Lieblinge um. Er machte ihm &#x2014; indeß Weh¬<lb/>
meier und die Pflegeeltern ihm überall mit<lb/>
einer Kanzel und einem Kirchen&#x017F;tuhle nachlie¬<lb/>
fen, bei jedem heftigen Unwillen oder Wun&#x017F;che<lb/>
oder Jubel, den er zeigte &#x2014; mit &#x017F;chöner libe¬<lb/>
raler Freiheit Raum, &#x017F;ich breit und hoch zu<lb/>
entwickeln. Er ehrte am Jünglinge das St. Elms<lb/>
oder Helenen-Feuer, wie am Grei&#x017F;e das Eis;<lb/>
das Herz kräftiger Men&#x017F;chen, glaubt' er, mü&#x017F;&#x017F;e<lb/>
wie ein Porzellangefäß anfangs zu groß und<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[252/0272] heilige Welt des Homers und des Sophokles ein; und gieng mit ihm unter die höhern, ganz entwickelten, von einſeitiger ſtändiſcher Kultur noch unverrenkten ſchöngegliederten Menſchen dieſes Zwillings-Prometheus, die wie Salomo für alles Menſchliche, für Lachen, Weinen, Eſſen, Fürchten und Hoffen eine Zeit hatten und die bloß die rohe Gränzenloſigkeit flohen; die auf den Altären aller Götter opferten, aber auf dem der Nemeſis zuerſt. Und Dian — deſſen innerer Menſch ein ganzer war, dem kein Glied ausgeriſſen iſt, keines aufgeblaſen und alle großgewachſen — gieng ſelber als ein ſolcher Sophokles-Homeriſcher Grieche mit dem Lieblinge um. Er machte ihm — indeß Weh¬ meier und die Pflegeeltern ihm überall mit einer Kanzel und einem Kirchenſtuhle nachlie¬ fen, bei jedem heftigen Unwillen oder Wunſche oder Jubel, den er zeigte — mit ſchöner libe¬ raler Freiheit Raum, ſich breit und hoch zu entwickeln. Er ehrte am Jünglinge das St. Elms oder Helenen-Feuer, wie am Greiſe das Eis; das Herz kräftiger Menſchen, glaubt' er, müſſe wie ein Porzellangefäß anfangs zu groß und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/272
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/272>, abgerufen am 21.11.2024.