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Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

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wenn man zu höhern Posten avancirte, blos
um von da aus zu noch höhern aufzusteigen,
und man so nach allem diesen sich frisiert und
gewaschen in den Sarg streckte, damit doch die
gigantische Körperwelt ihren Pestizer auch der
erhabenen Geisterwelt einhändige. -- -- Nein,
sagte Albano, lieber wirf eine schwarze Berg¬
kette von Schmerzen ins platte Leben, damit
nur eine Aussicht dasteht und etwas Großes. --

Aber Roquairol war nicht der, der er ihm
schien; -- die Freundschaft hat ihre Täuschun¬
gen wie die Liebe -- und oft wenn er diesen
liebestrunknen hochherzigen Jüngling mit keu¬
schen Mädgenwangen und stolzer Männerstirn,
der ein solches Vertrauen auf seine wankende
Seele setzte, und dessen Herz so weit offen
stand und an dessen Phantasie sogar, er die
Heiligkeit beneidete, lang anblickte: so rührte
ihn die Täuschung des Edeln bis zum Schmerz
und sein Herz drängte sich vor und wollte ihm
mit Thränen sagen: Albano, ich bin deiner
nicht werth. Aber dann verlier' ich ihn; setzt'
er allemal hinzu; denn er scheuete die moralische
Orthodoxie und die Entschiedenheit eines Man¬

wenn man zu höhern Poſten avancirte, blos
um von da aus zu noch höhern aufzuſteigen,
und man ſo nach allem dieſen ſich friſiert und
gewaſchen in den Sarg ſtreckte, damit doch die
gigantiſche Körperwelt ihren Peſtizer auch der
erhabenen Geiſterwelt einhändige. — — Nein,
ſagte Albano, lieber wirf eine ſchwarze Berg¬
kette von Schmerzen ins platte Leben, damit
nur eine Ausſicht daſteht und etwas Großes. —

Aber Roquairol war nicht der, der er ihm
ſchien; — die Freundſchaft hat ihre Täuſchun¬
gen wie die Liebe — und oft wenn er dieſen
liebestrunknen hochherzigen Jüngling mit keu¬
ſchen Mädgenwangen und ſtolzer Männerſtirn,
der ein ſolches Vertrauen auf ſeine wankende
Seele ſetzte, und deſſen Herz ſo weit offen
ſtand und an deſſen Phantaſie ſogar, er die
Heiligkeit beneidete, lang anblickte: ſo rührte
ihn die Täuſchung des Edeln bis zum Schmerz
und ſein Herz drängte ſich vor und wollte ihm
mit Thränen ſagen: Albano, ich bin deiner
nicht werth. Aber dann verlier' ich ihn; ſetzt'
er allemal hinzu; denn er ſcheuete die moraliſche
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[7/0015] wenn man zu höhern Poſten avancirte, blos um von da aus zu noch höhern aufzuſteigen, und man ſo nach allem dieſen ſich friſiert und gewaſchen in den Sarg ſtreckte, damit doch die gigantiſche Körperwelt ihren Peſtizer auch der erhabenen Geiſterwelt einhändige. — — Nein, ſagte Albano, lieber wirf eine ſchwarze Berg¬ kette von Schmerzen ins platte Leben, damit nur eine Ausſicht daſteht und etwas Großes. — Aber Roquairol war nicht der, der er ihm ſchien; — die Freundſchaft hat ihre Täuſchun¬ gen wie die Liebe — und oft wenn er dieſen liebestrunknen hochherzigen Jüngling mit keu¬ ſchen Mädgenwangen und ſtolzer Männerſtirn, der ein ſolches Vertrauen auf ſeine wankende Seele ſetzte, und deſſen Herz ſo weit offen ſtand und an deſſen Phantaſie ſogar, er die Heiligkeit beneidete, lang anblickte: ſo rührte ihn die Täuſchung des Edeln bis zum Schmerz und ſein Herz drängte ſich vor und wollte ihm mit Thränen ſagen: Albano, ich bin deiner nicht werth. Aber dann verlier' ich ihn; ſetzt' er allemal hinzu; denn er ſcheuete die moraliſche Orthodoxie und die Entſchiedenheit eines Man¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/15>, abgerufen am 03.12.2024.