Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

lichte Gipfel hängt hoch im dunkeln Himmel,
als ein Stern unter den Sternen.

Liane hatte wie eine Tochter das Auge und
die Hand nicht von ihm gelassen und jeden
Laut schmachtend eingesogen; ihr Bruder hatt'
ihn mit mehr Freude als Alban gehört, aber
blos um den mystischen Heros ganz in den
mimischen Berg Athos seiner Nachbildung
reiner abzuformen, und Rabette hatt' ihn wie
in einer Kirche unter gläubigen -- Nebenge¬
danken angeschauet.

Er entfernte sich jetzt ohne Umstände, um
für seine Thiere zu sorgen, die er wie alles
Unwillkürliche, z. B. die Kinder, wie aus der
ersten Hand Gottes kommend liebte; alles sey
göttlich, sagt' er, und nichts irrdisch als das
Unmoralische. Er konnte keine Bienen schwe¬
feln, keine Blumen im Scherben-Käfig ver¬
dursten lassen, kein abgetriebnes, wundes Pferd
ertragen und gieng vor einer Fleischbank nur
mit schaudernden Gliedern vorüber.

"Wollen wir, (sagte der Freund Karl,) den
"herrlichen Abend auf der prächtigen Berg¬
" straße einnehmen und Dein Donnerhäuschen

lichte Gipfel hängt hoch im dunkeln Himmel,
als ein Stern unter den Sternen.

Liane hatte wie eine Tochter das Auge und
die Hand nicht von ihm gelaſſen und jeden
Laut ſchmachtend eingeſogen; ihr Bruder hatt'
ihn mit mehr Freude als Alban gehört, aber
blos um den myſtiſchen Heros ganz in den
mimiſchen Berg Athos ſeiner Nachbildung
reiner abzuformen, und Rabette hatt' ihn wie
in einer Kirche unter gläubigen — Nebenge¬
danken angeſchauet.

Er entfernte ſich jetzt ohne Umſtände, um
für ſeine Thiere zu ſorgen, die er wie alles
Unwillkürliche, z. B. die Kinder, wie aus der
erſten Hand Gottes kommend liebte; alles ſey
göttlich, ſagt' er, und nichts irrdiſch als das
Unmoraliſche. Er konnte keine Bienen ſchwe¬
feln, keine Blumen im Scherben-Käfig ver¬
durſten laſſen, kein abgetriebnes, wundes Pferd
ertragen und gieng vor einer Fleiſchbank nur
mit ſchaudernden Gliedern vorüber.

„Wollen wir, (ſagte der Freund Karl,) den
„herrlichen Abend auf der prächtigen Berg¬
„ ſtraße einnehmen und Dein Donnerhäuschen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0193" n="185"/>
lichte Gipfel hängt hoch im dunkeln Himmel,<lb/>
als ein Stern unter den Sternen.</p><lb/>
          <p>Liane hatte wie eine Tochter das Auge und<lb/>
die Hand nicht von ihm gela&#x017F;&#x017F;en und jeden<lb/>
Laut &#x017F;chmachtend einge&#x017F;ogen; ihr Bruder hatt'<lb/>
ihn mit mehr Freude als Alban gehört, aber<lb/>
blos um den my&#x017F;ti&#x017F;chen Heros ganz in den<lb/>
mimi&#x017F;chen Berg Athos &#x017F;einer Nachbildung<lb/>
reiner abzuformen, und Rabette hatt' ihn wie<lb/>
in einer Kirche unter gläubigen &#x2014; Nebenge¬<lb/>
danken ange&#x017F;chauet.</p><lb/>
          <p>Er entfernte &#x017F;ich jetzt ohne Um&#x017F;tände, um<lb/>
für &#x017F;eine Thiere zu &#x017F;orgen, die er wie alles<lb/>
Unwillkürliche, z. B. die Kinder, wie aus der<lb/>
er&#x017F;ten Hand Gottes kommend liebte; alles &#x017F;ey<lb/>
göttlich, &#x017F;agt' er, und nichts irrdi&#x017F;ch als das<lb/>
Unmorali&#x017F;che. Er konnte keine Bienen &#x017F;chwe¬<lb/>
feln, keine Blumen im Scherben-Käfig ver¬<lb/>
dur&#x017F;ten la&#x017F;&#x017F;en, kein abgetriebnes, wundes Pferd<lb/>
ertragen und gieng vor einer Flei&#x017F;chbank nur<lb/>
mit &#x017F;chaudernden Gliedern vorüber.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Wollen wir, (&#x017F;agte der Freund Karl,) den<lb/>
&#x201E;herrlichen Abend auf der prächtigen Berg¬<lb/>
&#x201E; &#x017F;traße einnehmen und Dein Donnerhäuschen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[185/0193] lichte Gipfel hängt hoch im dunkeln Himmel, als ein Stern unter den Sternen. Liane hatte wie eine Tochter das Auge und die Hand nicht von ihm gelaſſen und jeden Laut ſchmachtend eingeſogen; ihr Bruder hatt' ihn mit mehr Freude als Alban gehört, aber blos um den myſtiſchen Heros ganz in den mimiſchen Berg Athos ſeiner Nachbildung reiner abzuformen, und Rabette hatt' ihn wie in einer Kirche unter gläubigen — Nebenge¬ danken angeſchauet. Er entfernte ſich jetzt ohne Umſtände, um für ſeine Thiere zu ſorgen, die er wie alles Unwillkürliche, z. B. die Kinder, wie aus der erſten Hand Gottes kommend liebte; alles ſey göttlich, ſagt' er, und nichts irrdiſch als das Unmoraliſche. Er konnte keine Bienen ſchwe¬ feln, keine Blumen im Scherben-Käfig ver¬ durſten laſſen, kein abgetriebnes, wundes Pferd ertragen und gieng vor einer Fleiſchbank nur mit ſchaudernden Gliedern vorüber. „Wollen wir, (ſagte der Freund Karl,) den „herrlichen Abend auf der prächtigen Berg¬ „ ſtraße einnehmen und Dein Donnerhäuschen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/193
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/193>, abgerufen am 23.11.2024.