Aber Froulay verblieb der lächelnde Jo¬ hannes. Ja trieb ers nicht -- die Beweise hab' ich -- soweit damit, daß er, da die Toch¬ ter der Prinzessin einmal beim Abschiede um den Hals fiel, anstatt ihr mit blitzenden Augen vor¬ zuhalten, wie man Vertraulichkeiten bei Höhern nur annehmen, nicht erwiedern, und sich eben da nicht vergessen müsse, wo sie sich verges¬ sen -- und anstatt ernst zu fragen, ob sie ihn je in seiner wärmsten Liebe gegen den Fürsten wider die dehors habe verstoßen sehen -- daß er, sag' ich, anstatt dieses hagelnd und stürmend zu thun, diesesmal blos in die schönen Worte aus¬ brach: "Kind, Du meinst es zu gut mit Dei¬ "ner vornehmen Freundin; frage Deine Mut¬ "ter, sie weiß auch was freundschaftliche "liaisons sind."
Blos Liane -- obwohl so oft von dieser Meerstille hintergangen -- war voll unsäglicher Hofnung und Freude über den häuslichen Frie¬ den und glaubte Bestand, zumal in der Nähe des väterlichen Geburtstages, dieser Olympiade und Normalzeit, wornach das Haus vieles rechnete. Das ganze Jahr lauerte der Minister
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Aber Froulay verblieb der lächelnde Jo¬ hannes. Ja trieb ers nicht — die Beweiſe hab' ich — ſoweit damit, daß er, da die Toch¬ ter der Prinzeſſin einmal beim Abſchiede um den Hals fiel, anſtatt ihr mit blitzenden Augen vor¬ zuhalten, wie man Vertraulichkeiten bei Höhern nur annehmen, nicht erwiedern, und ſich eben da nicht vergeſſen müſſe, wo ſie ſich vergeſ¬ ſen — und anſtatt ernſt zu fragen, ob ſie ihn je in ſeiner wärmſten Liebe gegen den Fürſten wider die déhors habe verſtoßen ſehen — daß er, ſag' ich, anſtatt dieſes hagelnd und ſtürmend zu thun, dieſesmal blos in die ſchönen Worte aus¬ brach: „Kind, Du meinſt es zu gut mit Dei¬ „ner vornehmen Freundin; frage Deine Mut¬ „ter, ſie weiß auch was freundſchaftliche „liaisons ſind.“
Blos Liane — obwohl ſo oft von dieſer Meerſtille hintergangen — war voll unſäglicher Hofnung und Freude über den häuslichen Frie¬ den und glaubte Beſtand, zumal in der Nähe des väterlichen Geburtstages, dieſer Olympiade und Normalzeit, wornach das Haus vieles rechnete. Das ganze Jahr lauerte der Miniſter
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Aber Froulay verblieb der lächelnde Jo¬
hannes. Ja trieb ers nicht — die Beweiſe
hab' ich — ſoweit damit, daß er, da die Toch¬
ter der Prinzeſſin einmal beim Abſchiede um den
Hals fiel, anſtatt ihr mit blitzenden Augen vor¬
zuhalten, wie man Vertraulichkeiten bei Höhern
nur annehmen, nicht erwiedern, und ſich eben
da nicht vergeſſen müſſe, wo ſie ſich vergeſ¬
ſen — und anſtatt ernſt zu fragen, ob ſie ihn
je in ſeiner wärmſten Liebe gegen den Fürſten
wider die déhors habe verſtoßen ſehen — daß er,
ſag' ich, anſtatt dieſes hagelnd und ſtürmend zu
thun, dieſesmal blos in die ſchönen Worte aus¬
brach: „Kind, Du meinſt es zu gut mit Dei¬
„ner vornehmen Freundin; frage Deine Mut¬
„ter, ſie weiß auch was freundſchaftliche
„liaisons ſind.“
Blos Liane — obwohl ſo oft von dieſer
Meerſtille hintergangen — war voll unſäglicher
Hofnung und Freude über den häuslichen Frie¬
den und glaubte Beſtand, zumal in der Nähe
des väterlichen Geburtstages, dieſer Olympiade
und Normalzeit, wornach das Haus vieles
rechnete. Das ganze Jahr lauerte der Miniſter
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Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/75>, abgerufen am 16.02.2025.
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